Wer schon mal Schreiber auf einem Turnier war, der weiß, dass der Richterwagen oder das Richterhäuschen in etwa denselben Status hat, wie das Portal zur Unterwelt, die Tür zu Hannibal Lecters Zelle, etc. Da möchte man nicht unbedingt drin sein. Und wenn man dann in einer E-Dressur Protokolle schreibt, dann sitzt man da auch gerne mal drei Stunden. Ich habe das zwar früher mehrfach gemacht, würde es aber heute ganz sicher nicht mehr tun – obwohl die Richter wahrscheinlich harmloser geworden sind.

Beginnen wir also unser Kammerspiel:

Richter A: „Ach, guten Morgen, sind Sie auch mal endlich da.“
Ich – kess, wie ich bin: „Ich bin eine halbe Stunde zu früh, ich weiß nicht, wo das >endlich< sein soll." Sieht man ja auch schon daran, dass nicht mal alle Richter da sind, nur er. Richter A geht aber gar nicht darauf ein, der schimpft, dass die Kollegen auch noch nicht da sind. Na, kein Wunder! Halbe Stunde zu früh! Aber immerhin, er hat schon Kuchen als Alternativfrühstück. Damit wird er sich übrigens noch verdammt lange beschäftigen. Zwei weitere Personen treten ein. Richter B und Anwärter C, der nur mal gucken soll heute. Richter B: "Ach, guten Tag, Sie sind unsere Schreiberin?" Ich - mit Zettel und Stift bewaffnet denke: Nein, ich male hier Portraits! Natürlich bin ich die verdammte Schreiberin. Ich sage allerdings nur: "Ja." Richter B: "Reiten sie auch nachher?" Ich: "Ja." Richter B: "Oh, dann gucken wir natürlich ganz genau hin." Das möchte man unbedingt hören! Richter A: "Gibt es hier noch einen zweiten Kuchenstand? Der hier war total scheiße." Deutet auf seinen leeren Teller. Muss schwer scheiße gewesen sein. Ein Hoch auf ihn, dass er unter Einsatz seines Lebens doch noch den Kuchen runtergewürgt hat. Als dann endlich alle (auch morgens um halb 9) mit Kuchen und einem Radler (weil Frühschoppen!) versorgt sind, geht es dann auch mal los. Anwärter C hat die störende Angewohnheit Echo zu spielen und einfach das nachzuplappern was eine Sekunde vorher schon der andere Richter gesagt hat. Dazu nickt er wie ein Wackeldackel. Das hat dann ungefähr diesen Effekt: Richter B: "Unruhiges Bein, treibende Hilfe zu deutlich und hochgezogenes Knie." Ich - *kritzel, kritzel.* Anwärter C "Ja, ja ... hochgezogenes Knie." Richter A: "Hände wie auf 'nem Moped" Anwärter C: "Ja, Moped!" Ich schreibe: ... treibende Hilfe wie beim hochgezogenen Moped ... Nach der dritten Abteilung ist schon wieder der Kuchen weg. Richter A: "Kriegt man hier auch mal Kuchen?" Ich denke mir - na, das wird er Richtung Anwärter C gesagt haben, schließlich muss der ja nichts machen und ist hier sowieso nur schmückendes Beiwerk. Ist aber an mich adressiert. Ich gehe Kuchen holen und notiere gar nichts zur nächsten Abteilung. Als ich wiederkomme, sagt Richter A: "Schreib halt irgendwas, da war keiner gut." Überlege kurz, ob ich "irgendwas" auf den Zettel schreibe, lutsche mir dann aber selbst was aus den Fingern, weil ich ja weiß, dass die zwei Spinner mich nachher auch noch richten. Der Spaß geht noch eine ganze Weile weiter, mit drei Abteilungen, die gar nichts auf ihren Papieren haben (bzw. wertlosen Mist), weil ich mehrfach für irgendeinen Quatsch rausgeschickt werde. Hol mal Kuchen, hol mal was zu trinken, ich mag das, was wir hier haben, nicht, etc. Letzte Abteilung: Richter B: "Haben wir denn schon einen Gewinner?" Richter A: "Ja, davor war eine, die hatte ein nettes Pferd." Anwärter C: "Ja, nettes Pferd." Richter B: "Welche?" Richter A: "Die mit dem Rappen von Weltmeyer." Richter B: "Die lag aber mehr auf dem Pferd, als das die geritten ist." Richter A: "Die waren alle nicht gut, aber irgendwer muss ja gewinnen." Anwärter C: "Ja, irgendwer muss ja gewinnen." Ich: "Da kommt doch noch eine Abteilung." Richter verstummen empört. Kriege nur noch knappe Befehle, die ich aufschreiben soll, dann werde ich grußlos verabschiedet. Und wer hat am Ende gewonnen? Die Liegefrau auf dem Weltmeyer Rappen ... Foto: Kein Turnierpferd. Muss kein Nachteil sein.