„Ich kann leider heute nicht mitkommen, ich hab nicht mehr genug Geld für die Disco.“ Oder auch eine astreine Prellung, die einen dazu veranlasst zu humpeln: Automatisch werden die Mitmenschen sagen: „Achso, ja, das kommt davon, wenn man ein Pferd hat.“
Dabei kann man nur nicht auf den Discoabend, weil gerade die neue Waschmaschine außerplanmäßig angeschafft wurde, und die hübsche Fußprellung stammt von einem fiesen Treppensturz, so ist es doch für das eigene Umfeld glasklar: Das Pferd ist alles schuld.
Vor allem auf der Arbeit ist das nervig, denn es wird Reitern ja pauschal erst Mal unterstellt, dass sie deswegen krank sind, weil sie natürlich wieder diesem lebensgefährlichen Hobby „Reiten“ nachgegangen sind. Was Reiten jetzt genau mit einer Grippe oder anderen Standarderkrankungen zu tun hat, kann ich euch auch nicht sagen. Ich habe übrigens genug Kollegen, die ganz gruselige Hobbys haben (Klettern ohne Absicherung) – da kommt das nie auf. Wenn ich aber humpelnd zur Arbeit komme, liegt das auf jeden Fall am Pferd.
Auch sonst, wenn man keine Zeit hat, wird immer das Pferd von Außenstehenden hergezogen: „Du bist ja nur am Stall.“ Nein, ich habe sogar meinen freien Tag – und trotzdem nicht immer Zeit für alles! Ja, krass manchmal mache ich sogar Dinge, die gar nichts mit Pferden zu tun haben, trotzdem ihre Zeit brauchen UND die ich über andere Dinge stelle, die damit kollidieren.
Und dann ist da noch das leidige Geldthema: „Warum kaufst du dir nicht ein teures Prolloauto?“ – nachdem mein Corsa den Geist aufgegeben hat. Aber die Leute beantworten sich die Frage ja gleich: „Ach, du hast ein Pferd, das ist ja so teuer.“ Nein, so teuer ist das eigentlich nicht und selbst wenn ich kein Pferd hätte, kauf ich mir trotzdem keinen geleasten Assimercedes – weil ich so etwas gar nicht fahren will. Ich zahle mein Auto gern in einem und dann ist es auch meins, falls ich mal ein paar Rehe, einen Zaun oder Rentner plattfahre – dann brauch ich mir wenigstens um den ganzen Mist keine Gedanken machen.
Auch sonst ist dieses: „Kannst du dir das leisten?“ eine heiß diskutierte Frage, denn das Pferd verschlingt automatisch alles an Geld. „DU kannst in Urlaub fahren?“ Ähm … ja? Warum sollte ich nicht? Und damit wir uns richtig verstehen – ich bin weißgott kein Großverdiener, ich arbeite eine normale 40 Stunden Woche (inklusive unbezahlter Überstunden) und habe einen ganz normal bezahlten Job. Hexenwerk! Teufelszeug!
Generell ist dieses automatische: „Das Pferd ist Schuld“, sehr anstrengend – bei Nichtreiterfamilie trifft es nämlich auch noch auf die Familie zu. Und hat man dann mal wirklich etwas: „Ich kann jetzt nicht vorbei kommen, ich warte gerade auf den Tierarzt“, dann wird aus einmal immer. Zugegeben, meiner Familie hab ich das abgewöhnt. Aber ich höre es oft genug von Freunden und Bekannten, wenn die mal wieder ihren Eltern erklären müssen: „Nein, der gebrochene Finger war eine Tür und kein Pferd“ – „Nein, ich kann heute wirklich nicht noch 30 Liter Sprit verfahren, um meiner Schwester in Hamburg zum Geburtstag zu gratulieren, es ist Monatsende und mir fehlt da einfach das Geld zu – ne, das hat nichts mit dem Pferd zu tun, sondern mit der Stromnachzahlung!“
Reiter dürfen einfach nicht verletzt sein, ohne dass es nicht vom Pferd ist. Sie dürfen auch nicht kein Geld haben, weil mal was kaputt gegangen ist, das ist automatisch ins Pferd geflossen. Und sie dürfen auch nicht einfach so mal keine Zeit haben, obwohl sie vielleicht gar nicht zum Pferd müssen.
Denkt ihr denn ernsthaft, wir Reiter bestehen ausschließlich aus Pferd? Und machen nichts anderes, sprechen über nichts anderes und erleben nichts anderes? Irgendwann kaufe ich mir eine Axt. Damit zerhacke ich die Schubladen, die die Leute dauernd aufziehen, wenn sie mal wieder versuchen, alle Reiter über einen Kamm zu scheren.
Foto: War bisher noch gar nix Schuld. Nicht mal die teuerste Tierarztrechnung – die hält einsam eins der mittlerweile verstorbenen Kaninchen.