„Ach, mein Hubert ist wieder ganz traurig, dass ich nicht da war, schau nur, wie er die Ohren hängen lässt.“
Eigentlich hört Hubert gerade nur, was da hinten am Putzplatz los ist, aber hey, ja, er ist bestimmt schweinetraurig, dass Frauli gestern nicht da war. Denn er hat einen Kalender im Stall und weiß definitiv was gestern für ein Tag war. Montag, da kommt Frauchen ja nicht.
Dabei kennen Pferde das Prinzip: Morgen, übermorgen und nächste Woche überhaupt nicht. Wir Menschen dichten es ihnen nur an. Das Pferd lebt im Jetzt. Es weiß nicht, dass es gestern einen schönen Ausritt mit seiner Reitbeteiligung gemacht hat. Er weiß nur, dass alles hübsch ist. Er kennt sicherlich auch den Ausreiteweg, wenn er ein paar mal dort lang gegangen ist. Genauso wie es Personen nach einer Weile erkennt:
„Der ärgert immer – Arsch zudrehen“ – Tierarzt
„Der füttert mich, den mag ich“ – Stallpersonal
„Die kommt immer und macht was mit mir“ – Besitzer
Es ist nicht traurig, wenn man die grüne Schibbi-Schabbi zum Waschen mitnimmt und es ist ihm auch scheißegal, ob man ihm ein hübsches Boxenschildchen anpinnt. Viel wichtiger ist ihm die Frage: Was möchte der Mensch dort von mir? Hat er etwas dabei? Macht er etwas Schönes mit mir?
Auch am Putzplatz oder auf Fotografien muss man manchmal Schlucken, wenn man hört, was für ein Blödsinn da geredet wird.
„Hihi, meine Stute ist so kitzelig.“
Nein, die tritt dich gleich, wenn du nicht aufhörst die da zu bürsten. Sie lacht nicht. Oder hörst du etwas Entsprechendes?
Oder auch: „Hach, was ist der entspannt.“
Nein, der hat sich nur so weit wie möglich von dir weggestellt, damit du ihn nicht weiter mit dem Mähnenspray nervst. Der auf Spannung stehende Strick sagt alles.
Aber Reiter haben es voll drauf, ihre Tiere zu vermenschlichen. Ja, da können sogar Pferde weinen, weil sie traurig sind. Wenn meinem Pferd das Auge tränt, dann komm ich mit nehm Tuch und guck, was drin hängt. Und überlege mir schon mal, wie ich den Tierarzt dazu bewege, JETZT zu kommen und nicht erst in vier Stunden.
Pferde sind eigentlich doch recht kluge Zeitgenossen. Die auch Schabernack machen können, sowie ihren Instinkten nachgehen. Aber manche Leute übertreiben es massiv mit dem vermenschlichen.
Würde es nicht einfach reichen, deren Sprache zu lesen und ein bisschen zu begreifen, woraus sich ihre Welt zusammensetzt? Nein, da müssen wir lieber noch ein bisschen nachfragen, ob denn jetzt der grüne oder der rote Trog besser ankommt.
Auch amüsant: „Schau, wie mein Pferd mich liebt.“
Und man sieht in der Körpersprache des Pferdes keine Liebe – sondern absolutes: „Lass das.“ Das heißt zwar nicht, dass das Pferd seinen Reiter gar nicht lieb hat, aber ihm passt das, was der Reiter macht, gerade nicht. Das würde es auch bei seinem Weidekumpel machen – „Lass mich in Ruhe, ich will gerade nicht.“
Auf Selfies sehen wir dann grinsende Frauchen mit angepissten Pferden. Da frage ich mich schon immer: Ihr wollt mir sagen, dass euer Pferd weint, weil es mal jemand vor drei Jahren gehauen hat und dann erkennt ihr nicht, dass das, was ihr gerade mit ihm macht, überhaupt nicht gut ankommt?
Kurios wird es, wenn Leute Angst und Schmerz anhand eines Fotos benennen wollen. Angst äußert sich beim Pferd nicht darin, dass das Pferd einfach mal die Nüstern bläht – das kann noch ganz andere Gründe haben. Wenn das Pferd das Maul aufmacht, hat es auch nicht automatisch Schmerzen, nur weil da ein Gebiss drin ist.
Aber ja, das ist für Reiter dann immer Angst und Schmerz. Aber bei ihren eigenen Pferden sieht es dann eher so aus: Manchmal möchte ein Pferd ja nicht mal, dass man ihm im Gesicht herumpatscht. Trotzdem grabbeln sie alle dran herum. Und schreien uns ins Gesicht, wie glücklich das Pferd ist und wie froh es ist, dass man es aus dem bösen Verkaufsstall freigekauft hat. An den sich das Pferd jetzt schon nicht mehr erinnert.
Dankbarkeit kennt ein Pferd nicht. Das können mir alle Gurus dieser Welt erzählen und ich glaube es ihnen nicht. Es ist schließlich dem Tierarzt auch nicht dankbar, wenn es ihm bei einer Kolik das Leben rettet.
Foto: Springspeck mit Stangenepilepsie.