Irgendwann einmal stand ich bei meinem Stammnetto in der Schlange (wie immer mit Reitklamotten) und belauschte einen Dialog zwischen einem Vater und seinem Sohn. Der Sohn durfte sich nämlich aus dem Zeitschriftenregal eine Zeitschrift aussuchen. Und mit was kam der ca. achtjährige Junge zurück? Mit einer Wendy. Beinahe ehrfürchtig legte er die aufs Band. Während der Vater empört rief: „Nä, die kriss‘ du nit! Bisse schwul oda wat?“ Da hät ich ja ausflippen können. Vater mit Klischeevokuhila und Bier aufm Band. Und Sohnemann darf keine Wendy haben? Was soll denn der Quatsch? Gerne hätte ich ihm die Wendy gekauft, aber der Junge räumte sie zu schnell weg.
Aber genau das spiegelt doch zum Teil unsere Gesellschaft wieder. Ein Junge darf also nicht reiten. Ist schwul. Warum? Weil man Reiter mit engen Hosen assoziiert? Hömma, Fußballer tragen tuntige Kniestrümpfchen, das ist jetzt auch nicht sonderlich hetero, wenn man das schon auf solche Äußerlichkeiten reduzieren will. Und die kuscheln auch gerne mal, wenns ein Tor gab. Ist das „männlicher“? Ich finde beides gleich männlich, oder unmännlich. Schlimmer treffen es wahrscheinlich nur Tänzer oder Eiskunstläufer, die sind ja per se automatisch schwul. Weil … tjoa, keine Ahnung.
Das Schlimme ist: Meist sind es nämlich andere Männer, die das rausschreien. Sieht man ja. Der Vater lebt’s vor. Was hat der Junge, der garantiert noch nicht über seine sexuellen Präferenzen nachgedacht hat, gelernt? Reiten ist schwul. Und man möchte ja nicht schwul (anders) genannt werden. Auch nicht von Gleichaltrigen. Aber die könnte man natürlich so nennen, wenn die irgendwas komisches tragen, oder als Hobby haben. Na, um was wetten wir, dass der Kurze demnächst dann auch andere Jungs als schwul bezeichnet – und das auch abwertend meint?
Wieso wird beim Mann immer eine gewisse Sexualität in seinen Sport hineininterpretiert. Die Heten im Fitnessstudio, die Schwuchteln im Sattel? Pfff … Echt jetzt? Auch Frauen lassen sich dazu hinreißen, die haben schon immer ein bisschen im Kopf: „Könnt ja schwul sein, der reitet“. Ja – selbst wenn: Wo ist jetzt das Problem? Der kann schwarz, weiß, schwul, trans, oder was auch immer sein. Hauptsache er reitet anständig. Und geht anständig mit seinem Pferd um. Es ist doch kein Wunder, dass so viele Männer von Reiterinnen nicht reiten wollen – der Sport gehört den Damen und Männer sind schwul, wenn sie mitmachen. Dabei kenne ich so viele stattliche, ältere Herren, die reiten. Und da gar nichts schwul dran finden. Auch nicht bei jüngeren Männern. Das ist eher normal. Die stammen noch aus einer Zeit, wo der reitende Mann ein völlig normales Bild darstellte. Im Brauchtumsbereich ist er das immer noch. Aber darf er nicht auch ambitionierter Freizeitreiter sein? Vielleicht mal ein Turnier gehen? Ganz ohne die Frage wo er seinen Lümmel hinsteckt?
Und wenn man mal in den Profibereich guckt, wird der ja nun doch von den Männern dominiert. Die nennt auch keiner schwul. Außer die unbelehrbaren, wie der Vokuhila-Mann, der seinem Sohn die Wendy verbietet. Während der Zuhause sein Bier trinkt und mal durch die Sender schaltet – schwule Reiter. Igitt. Gut, dass Sohnemann noch schnell eine Auto-Motor-Sport bekommen hat. Weiß ja jeder, dass es mehr schwule Reiter als schwule Autofahrer gibt …
Aber, liebe Männer, falls euch die anderen Lümmelträger nerven: Erklärt denen doch mal, was sich für euch für Jagdgründe als reitender Mann auftun. Vergöttert von den Damen, Mädels in engen Hosen, die da ganz unbehelligt vor euch mit rumwackeln. Können die anderen Kerle halt einpacken und weiter in der Dorfdisko auf die Balz gehen und hoffen, was von der Resterampe zu bekommen.
Selbst wenn das, das letzte ist, was euch im Stall interessiert, sondern weil ihr wirklich nur zum reiten dort seid: Der Neid ist euch sicher.
Foto: Mag Männer. Vor allem meinen, der hat immer Essen.