Irgendwann stolpert man über diese herzerweichenden Geschichten die zu 90% nicht wahr sind. So viele Pferde, wie da immer vor dem Schlachter gerettet werden, kann es in Deutschland gar nicht geben. Aber es klingt natürlich gut. Meine alte Reitlehrerin hat auch immer vom Schlachter gekauft. Prinzipiell deswegen, weil der auch Händler war und gesunde Pferde ganz normal verkauft hat. Da macht man auch mal ein echtes Schnäppchen, das ausrangierte S Pferd für nen Tausender, ist allerdings auch schon 25 Jahre alt. Aber für die Reitschüler ein Traum.
Aber halten wir uns nicht mit den wirklichen Fällen auf, sondern mit den Taten derer, die Pferde „vor dem Schlachter gerettet haben“.
Ich bin Skeptiker, ich glaube, nicht jedes Pferd ist ein missverstandenes Schätzchen und steht aufgrund der bösen Besitzer beim Schlachter – sondern deswegen, weil es krank ist. Und Schmerzen hat. Und es steht dort vielleicht mal ein paar Tage länger, weil der böse Metzger gerade nicht schlachtet. Der macht das ja nun mal nicht sofort.
Von da haben die Leute ihre Pferde sowieso nur sehr selten. Viel öfter sind sie auf irgendwelche Anzeigen reingefallen, die NIE vom Besitzer selber, sondern von einer armen Reitbeteiligung ins Internet gestellt werden, die natürlich kein Geld hat, das Pferd weiter durchzufüttern, aber unbedingt einen tollen Platz für das Liebchen will. Das Liebchen hat zwar eine undefinierbare Lahmheit und geht kaum noch einen Schritt freiwillig, aber hey, es darf nicht sterben. Jemand hat es doch gern!
Da kaufen sie, ob es passt oder nicht, Hirn aus und Kohle rüber und der Verkäufer bedankt sich, er ist das Shetty für teuer Geld losgeworden. Denn die sind ja nicht zu verschenken. Wenn es kein Pony ist, ist es meist ein Rennpferd. Dann wird es richtig spannend.
Eine Randinformation: Es ist verboten, ein Rennpferd aufgrund der Tatsache, dass es zu langsam ist, zu Schlachten. Dagegen gibt es Urteile und die werden vom Direktorium vollstreckt. Geldstrafe und Ausschluss sind dann noch die nettesten Dinge, die denen einfallen. Also glaubt den Leuten die Geschichte: „Ich habe das arme Pferd gerettet, der Besitzer wollte es zum Schlachter geben, weil es zu langsam war“ bloß nicht. Meist sind das nämlich (wenn überhaupt) die zweiten Besitzer, die mit dem Rennpferd total überfordert waren.
Und dann geht es los. Erst einmal müssen alle Facebookpferdegruppen und Foren besucht werden, damit bloß jeder mitbekommt: Schau her, ich habe ein Pferd gerettet. Als Privatmensch. Bin ich nicht super?
Und natürlich kommen sie daher, die Applausklatscher und Weltverbesserer und beglückwünschen das Mädel zu ihrem Neukauf.
Aber ach, die Sorgen lassen nicht lange auf sich warten, das Pferd ist krank. Oder blöd. Oder beides.
Leute, die wirklich systematisch an Pferderettung gehen, die kalkulieren das ein, sind quasi in den ersten Wochen ausschließlich mit Tierarzt und Schmied verabredet. Nicht so natürlich unsere Facebook-Posterin. Die wundert sich. War doch so süüüß.
Erste Fragen machen die Runde: Hier ein Video – was hat das Pferd nur?
Nun, so wie es geht wohl einen Beckenbruch!
Der Tierarzt ist doch so teuer und es ist Sonntag. Den holen wir jetzt nicht. Hufe … kann ich die selber machen? Bestimmt, oder?
Oder: Das benimmt sich voll hysterisch und hat mich schon dreimal abgeworfen.
Das unbemuskelte, viel zu kleine Pony wusste sich wohl nicht anders zu wehren. Oder der Traber, der einfach noch nie einen Reiter auf dem Rücken hatte …
Vorsichtige Stimmen werden das erste Mal laut, dass das Pferd vielleicht nicht ohne Grund zum Schlachter sollte. Empörung bei unserer Facebook-Posterin, sie hat es gerettet, das Vieh soll gefälligst dankbar sein. Leider hat das dem Pferd keiner verklickert … Passt auch jetzt eher nicht in das Gesamtkonzept: Pferd.
Nach sehr viel Gegenwind holt die Retterin dann doch mal den Tierarzt, gerne zwei, denn der erste lügt eh, wenn er sagt, es würde teuer werden. Blöderweise bestätigt das der Zweite dann gern: Und schob haben wir den Salat: Das ist viel zu teuer.
Fragen wir doch mal nach Spenden!
Ab da hört es sogar bei den Applaus-Klatschern auf. Hätte man sich schließlich mal früher überlegen können, dass ein Pferd Geld kostet. Erst recht eins, das man nicht Probegeritten, nicht untersucht, oder andersartig irgendwie angesehen hat.
Da hat das arme Tier nun eine alte Verletzung – bestimmt vom bösen Vorbesitzer (die Geschichte muss natürlich auch gepostet werden … basierend auf Vermutungen). Und was machen wir denn nur? Ach, ich weiß! Wir päppeln es mit Futter fett und verkaufen es als bedingt reitbaren Beisteller! Guter Plan, oder? Nur 2000 Euro. Platz vor Preis natürlich. Logisch!
Was dann passiert, erfahrt ihr an einem anderen Tag. Kennen wir doch alle, oder? Die günstigen Schnäppchen im Internet. AKU? Ach, wer braucht das schon.
Foto: Was soll der Driss?