Kaum ein ein Vorurteil über Turnierrichter hält sich so hartnäckig wie dieses: “Mit manchen Rassen brauchst du gar nicht erst ins Viereck reiten.” Und das stimmt. Das stimmt leider wirklich. Das letzte Mal als ich dabei war, haben zwei Richter einem kleinen Mädchen erklärt, dass sie mit einem Shetty in der E-Dressur nichts zu suchen hat, weil es ein Shetty ist. Der könne ja nicht richtig durchs Genick gehen (doch kann er schon, das sieht halt nur nicht so eng aus, weil das dem Shetty anatomisch nicht möglich ist). Das war jetzt sicher nicht die Siegerschleife. Aber ein Totalausfall war es nicht (das war mehr das Pferd davor, das ständig versucht hat rückwärts zu rennen – wurde aber platziert, war ein Warmblut. Obwohl die Hälfte der Lektionen gar nicht gezeigt wurden).
Ich selbst durfte die Erfahrung aber auch schon mit Vollblut machen. Ich meine, wo sind wir denn hier? In den 80er 90er Jahren – ja, da hatte jeder ein schnödes Warmblut. Aber mittlerweile herrscht ja in Deutschland eine riesige Rassenvielfalt, der man sich doch unmöglich entziehen kann. Da gibt es hier was Geschecktes, da was Kaltes, hier was Kleines, da was Großes, dort hinten was Buntes – und nichts davon sagt was über die Qualität des Pferdes aus. Jedenfalls nicht in ner Dorf-E-Dressur. Die kann (und sollte) jedes Pferd laufen. Das ist ja wohl nun ausschließlich grundsätzliches Gymnastizieren, das ein Reiter beherrschen sollte, damit sein Pferd anständig läuft (ich behaupte sogar, wenigstens ne A Dressur sollte jedes Pferd, mit egal welchem Körperbau laufen können).
Übrigens, falls ihr euch gerade klopfen wolltet, weils bei euch so feini ist – das gilt auch für Westernreiter. Wenn “Nicht-Westernrassen” auftreten, sind manche Richter auch plötzlich taubstumm und blind und sehen nur: “Ih, da ist ein Hannoveraner auf meinem Platz, soll der doch Dressur strampeln. Aber nicht die Kühe hüten.”
Wenn es um “unliebsame” Rassen und rückständiges Denken geht, dann geben sich alle Reitsportarten nichts, die subjektiv richten müssen, weil’s nun mal nicht anders geht. Beim Springreiten ist’s dann egal ob der Gepunktete schön ist, oder dem Richter gefällt, Hauptsache der kommt am Schnellsten im Zeitspringen über die Sprünge.
Ich frage mich dann immer: was denken die? Sehen die gar nicht, ob ein Pferd gut läuft? Oder denken die: Ach, das Mädel sitzt da nett drauf und das Pferd geht schön, aber ich finde halt Araber hässlich und dann gibt es keine Schleife. Sind die Self Aware? Oder eher empört. So: “Was erdreistet die sich, mit einem Tinker im heiligen Viereck aufzukreuzen? Direkt drölf Punkte Abzug.”
Oder eher so windelweich: “Naja, ich weiß, das ist altmodisch, aber Warmblüter sind einfach schöner in der Dressur anzusehen, deswegen wird jetzt die mit dem Westfalen platziert und nicht die mit dem Kalti, auch wenn der ganz gut vorgestellt wurde.”
Liebe verstaubte Richter: Guckt mal nach England. Hort des Biederen und der Stock im Arsch Reiterei. Da werden Tinker in der Dressur auf Platz 1 gesetzt. Und tauchen sogar in der Zeitung auf. Oder Ponys, die nicht im Warmbluttyp stehend gezogen sind. Einfach alles! Hier ein Quarter, da ein Araber, hier ein ausgemustertes Rennpferd, da was Wuscheliges ohne Papiere. Ist total egal. Sicher gibt es auch englische Richter, die nach ihrer eigenen Vorliebe richten – aber es finden sich deutlich mehr positive Beispiele als hier. Ich bin gespannt, wie viele in den Kommentaren mit in dieses Horn einstimmen können. Ich würde sagen, fast 90% aller Reiter hat die richterliche Willkür schon einmal mitbekommen oder wurde selbst Opfer, weil sie kein Standardwarmblut reiten.
Manchmal ist es nämlich kein Wunder, wenn Reiter eure Richterei nicht ernst nehmen. Wo sie doch hin und wieder gar nichts mit dem Gezeigten zu tun hat. Sondern nur mit eurer Nase.
Foto: Fällt vielleicht nicht auf auf nem Turnier. Vielleicht …