Pferde anreiten ist so eine Sache, bei der sich spätestens nach fünf Minuten zwei verfeindete Lager gegenüberstehen und mit Klappmessern aufeinander losgehen. Denn grundsätzlich stehen sich da die absoluten Extreme gegenüber, die unversöhnlich sind UND dazu noch alle anderen in Schubladen stecken. Machst du es nicht wie sie, dann gehörst du zu einem tierquälerischen anderen Extrem. Dazwischen gibt’s für diese Parteien nichts. Und wenn man es wagt, mit Fakten oder kritischen Nachfragen auf diese Parteien zuzugehen, dann wird es besonders spannend. So gibt es also die, die sehr früh anreiten (weil man das so macht) und die, die ganz spät anreiten (weil sie die erste Variante ablehnen). Beides kann absolut schädlich für das Pferd sein – wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Und auch hier bewahrheitet sich: Nett gemeint, kann halt auch kacke sein.
Es ist also so, dass eine Fraktion früh anreitet. Außerhalb eines fest reglementierten Sports, der Termine festlegt, wann was wo gehen muss, ergibt das für Privatperson überhaupt keinen Sinn. Innerhalb des Sports ergibt es Sinn – sie werden tierärztlich begleitet und bitte – spart euch das “Das sind doch noch Babys”-Geschrei, das fällt unter Absatz 1. Nur weil ich etwas nicht verstehe, heißt das nicht, dass alles nur böse ist. Eine Privatperson muss sich also an keine Termine halten, wenn sie keine Körung im Auge hat, keine Derbynennung, etc. Daher kann sie vollkommen aufs Pferd gucken. Klar wird auch bei den Sportpferden geschaut, aber im Worst Case steht da ein Besitzer hinter, der sagt: Ich will aber und dann ist man als Dienstleister schnell im Dilemma. Schwierige Sache. Und dann auch immer eine Frage, was man macht. Es gibt genug Reiter, die ihr Pferd viel zu jung fordern und sich wundern, wenn es dann mit acht nichts mehr machen kann. Kurios: Wie schaffen Privatpersonen das überhaupt? Die haben doch überhaupt kein Problem damit, zu reiten, wenn das Pferd es anbietet. Können die nicht warten?
Dann gibt es die andere Fraktion. Die wartet, bis das Pferd komplett ausgewachsen ist und kommt im worst case kaum ans Reiten, weil das Pferd dann, wenn es eben ausgewachsen ist, auch vollkommen pubertär wird. Davor nichts gemacht – jetzt plötzlich Reitpferd? Da hat so ein Siebenjähriger auch mal bisschen mehr Meinung, als im Alter von drei. Leider ist es häufig bei der “ganz spät” Fraktion so, dass sie jedwede Arbeit mit dem Pferd vorab ablehnen und meinen, das müsse sieben Jahre mit den Kumpels auf der Weide rumturnen, aber sonst nichts und dann steht man gerne einem ausgewachsenen Pferd gegenüber, das sagt: Moment – das ist die Alternative zu meinem bisherigen Leben? Leck mich fett – nein! Und dann hat man schnell den Salat, weil das Pferd dann richtig frackig wird. Denn man kann ja spät anreiten – aber deswegen muss man ja nicht sieben Jahre NICHTS mit dem Pferd deswegen machen. Auch ein bisschen Arbeit hätte schon geholfen.
Zusammenfassend kann man sagen: Man kann auf beide Arten das Pferd versauen. Man kann auf noch viel mehr Arten ein Pferd versauen. Man muss nicht ewig warten, man muss nicht sofort alles machen. Das Pferd bestimmt, was geht und was nicht. Und da in der Regel die anderen Leute das Pferd auch gar nicht zu Gesicht bekommen, die ihre Meinung so rigoros verteidigen, können sie nicht für euch und euer Pferd sprechen. Andersherum ist euer Weg nicht für das nächstbeste Pferd richtig. Also vielleicht alle mal einen Gang runterschalten.