Manche Pferde brauchen lange, bis sie bei einem Menschen ankommen, der etwas damit anfangen. Ich will nicht behaupten, dass Traber und Galopper es da besonders schwer haben, aber sie haben es auf jedenfall besonders schwer, weil die Leute diese Sportarten nicht kennen und einfach nicht wissen, was sie von dem Pferd verlangen können und was nicht.
Aber auch stinknormale Pferde, die eine ganz normale Ausbildung genossen haben, nicht irgendwelche Wehwehchen haben, sind davon betroffen.
Denn im Gegensatz zu dem: Ich behalte mein Pferd bei mir, bis es geht, ist das hier leider heutzutage der normale Werdegang eines Pferdes:
Da ist es, das süße Fohlen. Könnte sogar Lackschwarz werden, Traumfarbe, gleich mal einen Aufschlag nehmen. Beste Abstammung, der kleine Mann kann etwas! Das sieht man doch schon beim ersten Aufstehen.
Monate später ist er inseriert. Natürlich vom Züchter, der einen anständigen Preis dafür will, so ein vielversprechender Junghengst, der darf doch nicht ignoriert werden.
Die ersten Käufer trudeln ein und eine der anwesenden Damen verliebt sich. Das Fohlen wir mitgenommen, geht in eine kleine Herde und prompt wird mit Fohlen-ABC, Halftertraining und spontanen Spaziergängen angefangen. Doch da, das erste Problem: Das Fohlen denkt gar nicht daran mitzuarbeiten. Das möchte lieber bei seiner Herde sein. Nach dem es das erste Mal die Besitzerin ansteigt, heißt es einmündig: Weg damit. Schwanger ist sie auch noch, da hat man keine Zeit für ein Fohlen.
Beim nächsten Käufer ist alles anders. Der sieht das Potenzial, der weiß, was er für einen Kracher hat, der kleine Mann bleibt Hengst. Das muss zwingend so sein. Der Kleine wird wieder weggestellt, bis er zweieinhalb Jahre alt ist, dann muss er den ernst des Lebens kennenlernen. Hat aber vorher seine Eier kennengelernt und denkt nicht an Mitarbeit. Beim ersten Satteltraining klappt noch alles, bis dann … ja, bis es ihm zu bunt wird und er die neue Besitzerin abserviert. Eiskalt, mit einem Tritt. Dass die den Sattel zugeknallt hat, als gäbe es kein morgen, das weiß ja niemand.
Weg mit dem Hengst, entscheidet der Göttergatte, der ist böse. Anzeige rein: Schöner Hengst, ganz lieb, muss dringend weg, sonst Schlachter. Und der Mann meint das auch so. Wer seine Gattin tritt, hat nichts besseres verdient.
Weil man mit Schlachterdrohungen ja Muttis mit Rettungsfimmel anzieht, bekommt ihn genau so eine in die Finger. Mutti kauft diesen süßen Hengst und parkt ihn auf der Weide, ganz allein, bis er sieben ist. Erst dann soll man ja anreiten. Aber sie kann ihn immerhin schon mal führen. Leider ist er grässlich unsozial, denn als Hengst durfte er ja nicht mit den anderen nach draußen.
Anreiten gestaltet sich aber als schwierig, wenn man selbst gar nicht so toll reiten kann und sich immer nur mal wieder draufsetzt, inklusive Bändele und das dann reiten nennt. Aber sie ist ganz zufrieden damit. Bis sie drei andere Schlachtfohlen retten und zwei Traber, die sonst ganz bestimmt ganz doll geschlachtet werden und feststellt, dass der Hengst zu viel Platz in ihrem privaten Offenstall verbraucht. Außerdem stört der auch die anderen. Also geht er weg. Als Seelenpferd natürlich.
Aber da kauft ihn natürlich jemand. Ein Hengst im besten Alter! Da kann man dann ja noch ein paar Fohlen mit machen. Er ist immerhin schwarz! Beste Abstammung, die leider bei der Mutti mit Rettungsfimmel verschlunzt wurde. Jetzt ist er kein Dressurkracher mehr, nur Samenproduzent für alle Stuten vom Nachbarn. Ansonsten reitet seine neue Besitzerin aber auch endlich mal. Er kann sich schon einrollen und mit den Füßen paddeln.
Nachdem jedoch der Neudeckhengst alle Stuten im Umkreis begattet hat, wird er unflätig und geht über Zäune. Dabei produziert er noch ein paar Unfallfohlen und dann wird der Besitzerin im Stall gekündigt. Da muss der Hengst nun weg, das blöde Pferd ist Schuld, dass sie mit ihren zwei trächtigen Stuten und einem Hengst auf der Straße steht.
Es kauft wieder jemand. Jemand, der nicht sonderlich viel Ahnung von Hengsten hat – deswegen wird er dann doch noch kastriert. Aber auch danach ist der Neuwallach nicht einfach zu händeln, denn er ist unsozial und aufmüpfig. Und reiten ist das auch nicht. Seine neue Besitzerin versucht wirklich alles, Tierarzt, Gurus, Beritt – aber es passt einfach nicht. Es will nicht passen, was der nächsten Besitzerin auch erzählt wird. Die sucht ein nettes Nachwuchsspringpferd. Eigentlich. Aber irgendwie fand sie den Wallach nett, als der sie im Internet angesehen hat.
Und was passiert dort nun? Nachdem sie das Pferd erst mal ein halbes Jahr auf der Wiede geparkt hat, fängt sie bei 0 an und mit Beritt. Und am Ende? Da geht das Pferd sogar sein L Springen. Ist platziert und macht seiner Besitzerin Freude. Auch wenn er seine Macken hat, seine Besitzerin ist trotzdem zufrieden mit ihrem Pferd, das eigentlich mal ein Dressurkracher werden sollte.
Foto: Zum Glück nur durch 4 Hände. Und direkt von der Bahn.