Im Reitstall gibt es do’s und don’ts. Allerdings denken wir nur, wir würden sie kennen, denn das hat ja was mit dem Status Quo zu tun, den man in der Gemeinschaft innehat. Daher ein kleiner Knigge, damit euch künftig kein Fauxpas mehr passiert. Das kann schließlich soziale Isolation zur Folge haben.

Sobald der Parkplatz des Reitstalls in Sicht kommt, Haltung annehmen. Sie wissen nie, wer sie beobachtet. Die Haltung variiert, sind Sie gestern vom Pferd gefallen, benötigen Sie die Leidensmiene. Ich empfehle Jesus, der hängt in jeder christlichen Kirche. Waren Sie auf einem Turnier, empfiehlt sich eine gestreckte Rückenhaltung und die klassische hohe Nase. Der Ausgang ist hierbei nicht relevant. Üben Sie aber zuvor den Satz: „Ich war 1. Reserve.“ Huldvoll, natürlich aber auch vorwurfsvoll, beide Varianten sind akzeptabel. Wir gehen nun von einer normaleren Variante aus, dem alltäglichen Besuch im Stall:

Aus dem Auto heraus grüßen Sie schon huldvoll nickend die anderen Mitreiter. Mitbringsel werden auf dem Arm drapiert und angepriesen wie Fisch auf dem Hamburger Markt. Mit Namen und Preis. Aber sagen Sie, dass es ein Schnäppchen war. Egal, was dafür gezahlt wurde.
Nähern Sie sich nun den Schaulustigen – unaufdringlich die Neuware zeigen, sobald jemand zurückgrüßt. Die anderen nur gucken, nicht anfassen lassen.

Sodann geht es zur Box des Pferdes, hier beobachtet Sie keiner und Sie können ein paar Lockerungsübungen machen. Ihr Gesicht verträgt das Dauergrinsen nicht. Wirklich! In der Box aber wieder Haltung annehmen. Neuware demonstrativ vor die Box legen, aber nicht so, dass sie dreckig wird. Gibt Abzug in der B-Note.

Mit dem Pferd geht es zum Putzplatz. Durch huldvolles Nicken signalisieren Sie Mitreitern nicht nur, dass Sie sie zur Kenntnis genommen haben, sondern auch, welchen Putzplatz sie ansteuern. Genehm ist auch ein kurzes Antraben des Pferdes, damit eventuelle Platzdiebe eingeschüchtert von Dannen ziehen. Das ist Ihr Revier!

Putzen brauchen Sie nur oberflächlich, denn ihr Pferd trägt ja eine schöne Decke. Über die darf auch gerne mit den Mitreitern referiert werden, nennen Sie unbedingt Farbe, Kollektion und Preis. Sind Sie damit fertig, wird der Sattel geholt. Die Trense aber niemals dazu, denn beim Schaulaufen am Putzplatz soll jeder sehen, was sie haben. Und mit zwei verschiedenen Dingen sind die Leute überfordert.
Ist das Pferd ausstaffiert, sind auch Sie an der Reihe. Die Stiefel müssen unbedingt separat angezogen werden und Sporen niemals schon daran hängen. Machen Sie viel Geklimper mit den Sporen, das erregt Aufmerksamkeit bei Pferd und Reiter.
Sie steigen am Putzplatz auf und reiten natürlich zur Halle, Sie sind Reiterin und keine Fußgängerin. Ein huldvolles Nicken reicht völlig statt der proletenhaften Rumbrüllerei nach der freien Tür. Außerdem spart es Zeit, denn es grüßt auch automatisch die Mitreiter.

Decken werden auf dem Hufschlag ausgezogen, sobald Sie warmgeritten haben, schütteln Sie die einmal auf, nicht, dass sich Staub darin verfangen hat.

Halten Sie bei der nächsten Runde wieder an der Bande um lautstark Ihre Gerte zu suchen. Ist die Gerte nicht da, ist auch ein deftigerer Ton durchaus angebracht: „Wo zum Donnerwetter ist meine Gerte.“ Bitte mindestens auf Reitlehrerlautstärke, damit das auch jeder hört.
Haben Sie endlich eine Gerte (sollten Sie eine fremde haben, betonen Sie bloß, dass es sich nicht um Ihre eigene handelt!), dürfen Sie loslegen. Beachten Sie hierbei: Seitengänge müssen nicht angekündigt werden, Halt und Rückwärtsrichten auch auf dem ersten Hufschlag testen Reaktionen von Mitreitern und gehören zum guten Ton.

Bleiben Sie nie lange auf einer Hand, sagen Sie Handwechsel aber an. Am liebsten jede Runde. Sollten Mitreiter nicht reagieren, dürfen Sie nachdrücklicher werden. Wechseln die immer noch nicht, ist es angebracht, sich beim Reitlehrer zu beschweren, auch wenn Sie sonst nichts mit dem zu tun haben.
Bei der Galopparbeit ist Ihnen die Vorfahrt sicher und Sie dürfen auch mal auf Tuchfühlung mit den Mitreitern gehen. Gerte unbedingt in die äußere Hand, damit Sie an der Bande ein interessantes Geräusch erzeugt. Wer mutig ist, darf sie auch zischen lassen. Schnalzen Sie unbedingt bei jedem Galoppsprung, denn Sie arbeiten ja mit Ihrem Pferd.

Ist Ihre Arbeit für heute getan, darf die Halle mit huldvollem Nicken ohne Trockenreiten verlassen werden, aber nicht ohne Decke. Machen Sie nicht den peinlichen Fehler und vergessen Sie die Abschwitzdecke auf der Bande.
Kernstück der Performance ist das Trockenstehen beim gemeinsamen Schnack mit den Mitreitern. Wird Ihr Zosse dabei doof, ist es genehm, ihm mal eine zu ziehen.
Wurden alle wichtigen Tagesgeschehen durchgehechelt, darf abgesessen und abgesattelt werden. Nur auf dem Platz, den Sie vorher auch innehatten! Etwas anderes ist nicht tolerierbar.

Vergessen Sie die Neuware vor der Box, damit die später eintrudelnden Reiter sie auch noch bewundern können. Lassen Sie das Halfter in der Box unbedingt an, es passt ja zur Decke.
Räumen Sie ihr Sattelzeug weg (auch hier wieder: einzeln, die Leute sind sonst überfordert mit gucken).
Entfernen Sie sich huldvoll nickend vom Geschehen, steigen Sie in Ihr Auto und fahren Sie davon.

Repeat.

Foto: Mit dem Kopf im Trog verschwunden. Schmeckt wohl.