Longieren klingt eigentlich total einfach. Ist es auch, wenn das Pferd versteht, was man von einem möchte. Dann steht man da, freut sich und hat kein schlechtes Gewissen, weil man sich heute nicht in den Sattel geschwungen hat, das Pferd aber trotzdem anständig gymnastiziert wurde. Auch wenn Außenstehende nicht verstehen können, wieso das überhaupt schwer ist, dieses Longieren. Pferd hängt an Leine und läuft im Kreis. Und wenn die nicht heulen, tun es die Reiter, denn die können sich manchmal auch gar nicht vorstellen, was daran schwer ist. Bei manchen heißt es Halfter + Longe = Longieren.

Wirklich schwer wird es erst bei Pferden, die man reiten kann – aber nicht longieren. Ich bin vorbestraft, ich hatte einen Todesstern. Die hat auch nie verstanden, was man von ihr wollte. Ergo fiel es mir später beim Moppel deutlich leichter, nicht schreiend auf die Bahngleise zu rennen.
Da steht man also, mit Pferd und Longe. Und möchte jetzt einem Pferd, das schon ein alter Hase im Sport ist, verklickern, wie das nun so geht. Dieses Longieren …
Führen lässt er sich überall hin. Er wendet, er senkt den Kopf auf Druck, er ist ja nicht doof. Oder?

„Oh, Frauchen geht nach links, da geh ich mit.“
„Nein, ich will, dass du draußen im Kreis bleibst!“
„Da ist kalt!“
Prompt steht er mir wieder auf den Füßen. „Hast du was? Was Leckeres?“
„NEIN!“
„Och, manno.“
Ich wedle ihn weg. Widerwillig geht er drei Schritte zur Seite. Bleibt stehen.
„Muss ich die Peitsche anschauen?“
„HILFÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ!“
Brummkreisel um mich herum. Wusste gar nicht, wie schnell man so kleine Kreise galoppieren kann. Und wie schnell einem davon kotzeschlecht wird.
„Du sollst weg!“ Ich wedle.
„Du kannst mich mal.“ Bleibt stehen. „Ich raff das nicht. Ich soll mit dir gehen und jetzt nicht mehr?“
„Ja. Nein. Um mich herum!“
Ich führe in einem großen Kreis, lasse die Longe immer ein Stück länger. Irgendwann dreht das Pferd aber wieder um und kommt in die Mitte. Schluchzend: „Du hast mich allein gelassen!“
Zähneknirschend: „Mhnein…mh…“
„Können wir uns dieses Longieren nicht schenken? Das ist blöd. Führ mich! Das macht uns beiden Spaß.“
„NEIN!“
Wieder Gewedel. Und ein Rumpelstilzchen in der Mitte. Das bin wohl ich.
Widerwillig setzt sich das Pferd in Bewegung. Ungefähr einen Meter entfernt, aber immerhin mal außerhalb meiner Füße, sodass ich mich nicht direkt belästigt fühlen muss.
„Hey, warum ziehst du jetzt?“
„Weil du einen Kreis gehen sollst.“
„Erst soll ich weggehen, aber dann auch nicht so weit.“
„Ja.“
„Das ist blöd.“ Und er rennt beim nächsten Zug an der Longe los.
Ich warte, bis ihm selbst davon schlecht wird und er kommt torkelnd in die Mitte. „Das ist voll anstrengend, dieses Longieren.“
„Trottel.“
„Was hast du gesagt?“
„Nix.“
Ich gebe ihm das Kommando loszudackeln und schiebe ihn wieder von mir weg.
„Hä? Warum soll ich jetzt weg?“
„DAS IST DOCH DAS PRINZIP! WORÜBER REDEN WIR HIER DIE GANZE ZEIT!?“
„Hab ich vergessen.“
„Sagt man nicht Vollblüter sind lernwillig? Warum hab ich ausgerechnet den mit Hirn im Schlafrock erwischt?“
„Ich bin doof, nicht taub.“
Leidliche drei Kringel im Schritt. „Weißt du was? Ich hol jetzt die Peitsche. Hältst du dann Abstand?“
„NEEEEEEEEEEEEEIN!“ Und weg ist er, im Galopp seine Kringel drehen. Und wiehern. Irgendwo hört man nämlich Hufgetrappel.
Nachdem er sich beruhigt hat, trabt er. Drei Meter auf Abstand. Das ist viel, das muss ich loben.
„Super machst du das.“
„Hast du gerade Feierabend gesagt? Ja, oder? Hab ich genau gehört.“
Steht prompt wieder auf meinen Füßen.

Ich gebe auf. Um die Diskussion am nächsten Tag gleich noch mal zu führen. Habe ich schon erwähnt, dass ich ihn mittlerweile jedem zum Longierabzeichen vermieten würde? Doppellonge, vorwärts-abwärts kein Problem, Stangenarbeit, Gassen, Freiarbeit. Frage mich immer noch, wie das passieren konnte …

Foto: Manchmal ein bisschen doof.