Heinrich VIII taufte damals sein in Auftrag gegebenes Schloss so. Das bedeutet: Mit nichts zu vergleichen. Ihm war das wichtig, dass es jeder sofort bemerkte. Ich fand die Bezeichnung sehr passend. Und ich glaube, sie ist sehr richtig, wenn man von dem Ort spricht, an dem ich war. Es ist Frühling und ich steige aus dem Auto. Neben mir eine Pferdestatue. Geradeaus – das berühmte Schloss, dass viele nur von sehr alten Bildern kennen. Am Tor prangt ein Wappen: Integritas, Concordia, Industria. Es wäre normalerweise farbig. Schwarz. Blau. Rot. Jetzt klingelt es vermutlich bei einigen. Wir sprechen vom ältesten deutschen Privatgestüt. Vom Gestüt Schlenderhan.
Und es ist ein bisschen die Geschichte meiner Heimatstadt, die damit untrennbar verbunden ist. Gegründet wurde es 1869 und hat alle Irrungen und Wirrungen der Geschichte bis heute überstanden. Und dem Rennsport seine Sagengestalten geschenkt, die weit über den Sport hinaus bekannt sind. Und die Liebe zu Pferderennen fing bei mir mit einem wunderbaren Buch an. Genau genommen mit einem Pferd aus diesem Buch. Schwarzgold hieß sie und ihr Gedenkstein ruht in Schlenderhan. In einer Reihe mit Oleaner, Asterblüte, Priamos, Lombard, Alpenkönig, Monsun und vielen anderen.
Schlenderhan, seine Menschen und Pferde überlebten den ersten Weltkrieg, die Wirtschaftskrise, den zweiten Weltkrieg nur mit Ach und Krach, die Enteignung durch die Nazis, die Besetzung der Amerikaner, die ihnen Pferde stahlen, doch am Ende kam immer noch die Morgendämmerung wieder, wann immer es dem Gestüt schlecht erging. Das liegt sicherlich auch an der passionierten Familie, die Schlenderhan nicht betreibt, um den Markt zu versorgen und zu verkaufen. Schlenderhan wollte stets eigene Pferde im eigenen Besitz. Und zwar das Beste. Die jüngsten Eskapaden ließen die Rennsportfreunde natürlich bangen. Aber am Ende geht der schwarzblaurote Stern doch wieder auf. Gerade heißt er Alson. Alle Zeichen sind auf Zukunft gestellt. Gebhard Apelt, der Gestütsleiter macht klar: wir sind immer da. Solange es den Rennsport gibt. Er muss es wissen, so lang wie er schon da ist.
Geht man vom Schloss runter, sieht man auf der Weide mit einem dazugehörigen … Palästchen, eine Silhouette gegen die Sonne stehen. Wer wohnt da? Der Rentnerhengst. Tertullian. 25 Jahre jung, nicht mehr im Deckeinsatz. Schlenderhan behält Deckhengste und Zuchtstuten, wenn sie ausscheiden und dort genießen sie ihr Rentnerleben. Darauf ist man stolz. Auf dem Gestüt werden die Pferde alt. Verdammt alt. Allein Priamos, Lombard und Alpenkönig zusammen ergeben ungefähr 90 Jahre Pferdeleben.
Ich darf ihm auch mal den Huf schütteln, dem Dreiviertelbruder von Urban Sea. Bleibt in der Familie. Urban Sea vertritt schließlich Schlenderhaner Blut. Einen der erwähnten Opas zum Beispiel, Lombard.
Den Hügel hinauf, mittlerweile schon völlig auf dem Gelände verloren gegangen, prangt ein Stallgebäude. Eines der Alten. Ein Wappen ist am Dach befestigt. Darauf steht: Alba. Wisst ihr, wer Alba war? Experten mögen sich darüber streiten, wer denn nun der beste war: Oleander, Alba oder Schwarzgold. Alba jedenfalls schrieb sich 1930 in die Geschichtsbücher ein und war nicht zu stoppen. Außer vom Schicksal. Das holte sich ihn, als er sich bei einer leichten Arbeit vor dem St. Leger das Hinterbein brach und aufgegeben werden musste.
Aber wo Schatten ist, ist natürlich auch Licht. Das sieht man bei den Mutterstutenställen. Die ersten Fohlen liegen im Stroh. Ich hab mir gleich einen ausgesucht. Leider hat er nicht in meine Handtasche gepasst. Mythos heißt er. Und ich finde, das passt zu seiner Zuchtstätte. Es IST ein Mythos. Mit seinem ganz eigenen Zauber.
Und weil ich weiß, dass euch auch die Decke auf den Kopf fällt, könnt ihr das ganze Interview mit Gebhard Apelt, Frauke Delius und mir im RaceBets Podcast anhören.
Foto: Alba. Ja, ich lade noch ein Album hoch.