Wenn man nicht gerade, so wie ich, in einem winzigen Stall wohnt, wo man oft alleine ist, dann hat man früher oder später irgendwann Zuschauer. Die Lästerschwestern an der Bande, ehrfürchtige Kindernasen, die gerne mal ein Privatpferd reiten würden, kritische Reitlehrer, die alles sehen, was in ihrer Halle passiert, auch wenn man gar keine Stunde hat, etc.
Damit muss man natürlich leben. Schließlich kann man ja nicht überall Schilder aufhängen: Zugucken verboten.
Obwohl … wäre mal eine Überlegung wert.
Die Zuschauer sind sehr unterschiedlich in ihren Intentionen. Da gibt es zum Beispiel die stummen Zuschauer. Die sind alleine und genießen einfach nur ein bisschen die Atmosphäre. Die wollen nichts, die gucken manchmal hin, manchmal zu jemand anderem und gut ist es. Sie sprechen auch anschließend eher nicht darüber, was sich in der Halle ereignet hat, weil sie keine Lästerbacken sind. Sie sitzen dort nur, um sich zu entspannen, oder weil sie warten. Manchmal sind sie auch zu zweit und unterhalten sich. Auch eher nicht so über das, was in der Halle passiert, denn wie gesagt – die entspannen nur. Statt eine Woche all inclusive in nem schönen fünf Sterne Club, sitzen die halt in der Reithalle.
Eine viel ätzende Fraktion sind die selbsternannten Profis. Die stehen auch, genau wie die Stummen, stundenlang dort herum. Und die sehen alles. Mit ihren Augen. Was bedeutet: Es passieren Dinge in der Halle, die nie passiert sind. Da wird aus einem Hüpfer wildes steigen wegen zu harter Hand, aus einem Stolperer ein stockelahmes Pferd und aus einer kleinen Lektion, die nicht so ganz klappt, ein Vollversagen mit tierschutzrechtlicher Relevanz. Bandenprofis können alles totlabern. Und jeden – denn sie erzählen ihre Beobachtungen herum. Jeder muss wissen, was sich in ihrem Kopf abspielt – denn beobachtet haben sie das, was sie erzählen, garantiert nicht SO.
Besonders unbeliebt machen die Bandenprofis sich, wenn sie über Reitbeteiligungen Unsinn erzählen. Denn da hängt ja immer ein Besitzer dran, dem das zugetragen werden könnte. Und wer hört schon gerne: “Also die Tamara hat gestern dein Pferd verhauen! Das haben Sabine, Kerstin und ICH gesehen!”
Dabei hatte Tamara nicht mal eine Gerte, aber sie hat sich einmal energischer mit dem Bein durchgesetzt, weil ihr leicht stures Pferd Eckengespenster gesehen hat.
Ob sie wissen, was sie damit anrichten? Nein! Bandenprofis haben nicht nur eine blühende Phantasie, nein, die haben auch spontane Amnesie, wenn man sie fragt: “Hast DU das nicht erzählt?” Nönö … dann ist das nie passiert.
Neben den Bandenprofis gibt es noch eine Steigerung zu schlimmen Leuten um die Halle herum: Den Landvogt. Der Landvogt meint nämlich, ihm gehört hier alles und er fühlt sich (während er mit den Bandenprofis lästert) dazu berufen, JEDEM einen “klugen” Ratschlag zu geben.
Hat die arme Tamara also nach drei Ecken ihr Problem immer noch nicht gelöst, steht der Landvogt von seinem Plastikstuhl auf und spielt den Reitlehrer. “Du musst den mal ordentlich durch die Ecke treiben!” Des Landvogts Tipps sind überflüssig wie ein Kropf und unsinnig. Hält ihn aber nicht ab, seine Weisheit aufzutischen.
Außerdem ist er auch noch Hausmeister. Er räumt ungefragt Abschwitzdecken weg (auch wenn der betreffende Reiter noch in der Halle ist) und kassiert Gerten ein, die herunterfallen. Er rückt sie übrigens auch nie wieder heraus und schleppt sie wahrscheinlich, wie ein Biber zu seinem Bau.
Ansonsten sitzt er mit verschränkten Armen da und stiert irgendwelche Reiter an, bis die sich so unangenehm fühlen, dass sie ins Gelände flüchten. So ein Ausritt kann doch auch sehr schön sein.
Zum Glück gibt es da auch noch die Kinder. Manchmal schüchtern, manchmal quirlig, aber beide Fraktionen stehen gerne (denn sie trauen sich gar nicht, sich ungefragt auf einen der Hallenstühle zu setzen) an der Bande und gucken. Öfter mal mit offenem Mund. Sie saugen begierig alles auf, ohne zu bewerten. Für sie ist das Pferd immer noch ein gewisses Wunderwerk, und sein Reiter gleich mit (aus Prinzip, weil er oben sitzt) und dorthin möchten sie auch gerne. Weg vom Schulpferd, hin zum Privatpferd.
Wenn man sie anspricht, strahlen sie regelrecht und freuen sich, wenn sie helfen dürfen.
Also seid nett zu den Kindern! Es sind so ziemlich die einzigen Menschen an der Bande, die keine Scheiße erzählen!
Foto: Holt den Exorzisten, das Pony ist besessen.