Das Veterinäramt ist für Reiter ein rotes Tuch. Primär deswegen, weil die sich an das Gesetz halten und keine Pferde aus irgendwelchen Ställen rausklauen. Dabei hätte man das doch so gern, wenn Frau Schmidt mal wieder ihren dicken Freiberger auf der Straße maßregelt – der MUSS da raus. Das arme, misshandelte Tier! Guck doch mal die Augen!
Das Veterinäramt hat seinen schlechten Ruf beinahe ausschließlich von Streichelreitern, die es für jeden Pups anrufen (oder Joggern, die dreckige Pferde melden) und sich dann alle wundern, dass die nichts machen. Warum machen die nichts? Hinterfragen? Ach, was! Gleich die nächste Anzeige. Und schnell noch bei Facebook reinhauen: Veterinäramt der Stadt Hintertupfingen sind alles faule Schweine! Nix machen die, denen gehen die Pferde am Arsch vorbei.
Unverschämtheit, alles! Und es finden sich gleich noch ein paar Streichelreiter ein, die in dasselbe Horn blasen. Ja, die haben auch schon was gemeldet. Und was ist passiert? Nix! Frau Schmidt hat den Freiberger schon wieder geschlagen!
Wenn man sich mal bei Facebook und in Reitforen umguckt, ist man aber auch wirklich schockiert, was die Leute alles für meldepflichtig halten. Und man bekommt den Eindruck, dass Pferdeleute sehr gerne eine Stasi hätten. Zum Wohl der Tiere natürlich.
Das reicht von Leuten, die grundsätzlich andauernd auf andererleuts Grundstücken sind, um zu erkennen, ob das arme Pony auf der Weide Mauke hat, oder sich in fremden Ställen einschleichen, um zu sehen, ob denn da überhaupt ein Fenster im Stall ist.
Auch beliebt natürlich: Dein eigenen Stall, nachdem man dort gegangen wurde, anzuzeigen. Plötzlich ist das alles tierquälerisch dort. Vorher natürlich nie, nein, da hat man weggeschaut. Spitze Zungen werden sofort zum Schweigen gebracht – dem eigenen Pferd ging es da ja immer gut. Wenn es anderen Pferden da schlecht geht, muckt man sich aber nur hinterher. So, was aber auch.
Auch ehemalige Reitbeteiligungen sind fix damit, nach der Beendigung der Reitbeteiligung irgendwelche Besitzer anzuzeigen. Weil das Pferd plötzlich geschlagen wird. Vorher haben sie aber brav 100 Euro gezahlt. Wahrscheinlich, damit die Besitzer sich neue Folterinstrumente kaufen können …
Nicht nur Rachemeldungen, sondern auch übervorsichtige Leute, die in alles etwas Schlechtes hineininterpretieren müssen, melden natürlich gerne. Wenn nur ein Pferd auf der Weide ist. Das haben sie genau EINMAL gesehen, aber das Pferd muss quasi allein stehen, immer, schon sein ganzes Leben. Verwahrlost ist es auch. Ganz sicher. Dass sein Weidepartner vielleicht einfach auf einem Ausritt ist … nö! Unmöglich! Kann ja gar nicht passieren.
Und dann fehlen ja noch die Leute, die keine Ahnung von Pferden haben, und sich sehr gerne wichtig machen. Kennen wohl die meisten Offenstallleute. Die Pferde stehen bei Regen draußen! Skandal! Die sind aus Zucker und schon halb geschmolzen.
Die wirklich echten Fälle, wo das Veterinäramt versagt, die sind natürlich schlimm, keine Frage. Oder wo sie sich gar übertrieben doll kümmern. Zuletzt zum Beispiel.
Eine Dame hat zwei Pferde auf einer Weide stehen. Das eine ist über 30 Jahre und sieht nicht so toll aus. Das andere ist normal reitbar. Das Veterinäramt war bereits im Vorjahr dort, weil irgendwer sie anonym angezeigt hat. Pferd ist alt, in tierärztlicher Betreuung … soll man ja meinen, das wäre nun alles gut. Ein Jahr später tauchen sie wieder auf und zwingen der Besitzerin eine Untersuchung auf. Gegen ihren Willen, ohne Polizei, trampeln auf ihrer Wiese herum, stressen das über 30 Jahre alte Pferd ohne Grund, obwohl Untersuchungsergebnisse vom Haustierarzt vorliegen – aber dem wird nicht geglaubt. Pferd kämpft anschließend mit kolikartiken Symptomen. Wie, nett! Danke auch. Sind die mal ein paar Weiden weiter gegangen? Zu dem Pferd, das Hufe hat, wie ein Korkenzieher? Oder zu den Hafis ohne Wasser? Nein … die wurden übrigens alle gemeldet. Und stehen dort immer noch. Lieber noch ein bisschen das alte Pferd terrorisieren, weil man Rippchen sieht. Im übrigen: Ein Pferd, das vom Tierschutz übernommen wurde … also jetzt nicht aussieht, wie ein Sportpferd, das jetzt in Rente ist.
Foto: Ganz arm. Viel zu viel Fell, bestimmt eine Stoffwechselstörung. Natürlich unbehandelt.