Ständig werden wir Reiter ja belehrt. Bloß nicht vor sieben Jahren anreiten, so früh wie möglich und wieso können schon Dreijährige so viele Dinge? Heutzutage ist das überhaupt nicht mehr einfach. Denn man wird ständig angeblökt, egal was man macht. Mit drei ist es zu früh, mit sieben zu spät und wer guckt sich schon das Gesamtpaket an? Einreiten ist eine pauschale Sache, wenn es nach manchen Leuten geht und die hat so oder so zu sein, alles andere ist automatisch Tierquälerei.
Nun denn … was ist denn jetzt richtig? Das ist gar nicht so einfach. Ich zum Beispiel gehe nach diversen Fakten. Rasse, Nutzung und allgemeiner Zustand sind für mich das Allerwichtigste.
Es gibt frühreife Rassen (aber trotzdem auch Pferde, die in der Entwicklung hinterherhängen) und es gibt spätreife Rassen, bei denen man länger warten muss.
Pauschalurteile gibt es nicht. Oder sagen wir: Fast nicht. Soll das Pferd auf die Rennbahn ist es schon sehr wichtig, frühes Training mitzunehmen. Es sei denn, es liegt ein tatsächlich physiologischer Grund vor. Allerdings ist das dann nachher auch schwierig – kann gutgehen, kann schlecht gehen. Meistens laufen die hinterher. Wir unterscheiden hier allerdings: Spät anreiten oder spät vorstellen. Gibt ja schließlich Rennpferde, die werden genau wie die anderen trainiert, aber geben ihr Debüt erst mit fünf oder sechs. Ist halt so. Muss aber nicht schlecht sein.
Tja … und was macht man sonst so, wenn man keine Galopper anreitet? Ja, dann muss man auch gar nicht so früh anfangen. Trainiert ja sonst keiner für einen Derbysieg. Genehm ist es nie. Dabei gibt es doch so ein paar Grundregeln, die sehr einfach zu behalten sind:
Keine engen Wendungen
Behutsam an das Gebiss heranführen
Ausbalancieren lassen
Mit Dingen vertraut machen
Spielerische Arbeit
Ja, das gilt auch für die Freunde der Westernreiterei, die zwar die letzten Punkte beherzigen, aber mit den engen Wendungen es nicht gar so genau nehmen, wenn sie gerade mal Zweijährige anreiten.
Ich hätte damit nicht mal so ein großes Problem, wenn die Zweijährig nicht schon Kringel gehen müssten. Das ist es, was mich da massiv abturnt. Und auch konträr steht zu dem, was ich so gelernt habe.
Aber genau stören mich zusammengezurrte Dreijährige in der Dressur. Oder Rennen für zweijährige Steepler. Und, und und … es gibt vieles das Kacke ist. Aber auch vieles, das durchaus gemacht werden kann.
Ich höre schon den Aufschrei: Buhu, du elender elender Heuchler, ich entlike deine Seite, bla, bla, bla. Denn du propagierst frühes Einreiten bei Rennpferden und findest sonst alles scheiße.
Ja … mit einem feinen Unterschied: Hat jemand ein Vollblut, das nicht für die Bahn ist, muss er auch nicht früh einreiten. Es geht hier um eine Leistung, die das Pferd so nie erbringen wird. Daher sollte es auch gemäß der erwarteten Leistungen (und die sind nun mal in der Privatreiterei deutlich andere), angeritten werden. Keine Bahn, keine Arbeit als Zweijähriger. Denn da baut es nur Muskeln auf, die für ein Rennpferd wichtig sind. Nicht für ein Reitpferd.
Kein künftiges internationales Turnierpferd? Warum muss das zur Körung? Wird doch eh nichts bringen. Arbeit unnötig. Kein künftiger internationaler Reining-Meister? Wieso dann privat Kringelreiten mit zwei?
Klar ist das frühe Anreiten einfach. Denn es erspart einem eine Menge Diskussion. Hengste zum Beispiel … Hengste sind gerade im Jungspundalter ein Traum. Nett, fröhlich, verspielt. Vierjährig kann sich das auch ins Gegenteil wandeln, wenn die Pubertät durchkommt und der Hengst plötzlich etwas mit dem Gebamsel untenrum anfangen kann.
Und da kommen wir auch schon zum nächsten Unding. Zu Leuten, die dann mit dem neunjährigen Pferd anfangen wollen, weil das ja jetzt endlich auch ausgewachsen ist. Vorher haben sie schon alles verpasst und wundern sich jetzt, dass dieses Erwachsene, im Charakter gefestigte Pferd vielleicht darauf besteht, jetzt auf der Weide zu bleiben.
Kann ich auch nicht verstehen.
Bevor also wieder tausend Posts über: Wann soll man ein Pferd anreiten, in Gruppen aufloppen, sollte man doch einfach mal hinnehmen, dass es eine absolut individuelle Frage ist, die von Verwendungszweck des Pferdes, von seiner eigenen Entwicklung und den rassetypischen Eigenschaften abhängig ist. Das kann NIEMAND im Internet einfach so pauschal beantworten. Deswegen nerven mich auch solche Posts, wo uns schlaue Menschen erklären, dass alle Pferde bitte erst mit sieben angeritten werden sollen. Weil Keks.
Foto: Wellness Tag