Kennt ihr auch diese Leute, die ständig irgendwas von Vertrauen faseln? Ich kann die nicht mehr hören. Wir wollen uns heute mal nicht mit den ganz Bekloppten befassen, die meinen, man könne mit Halsring rausgehen, wenn man nur Vertrauen hat – nein, sondern mit denen, die uns auch sonst einen von Vertrauen vorbeten und wenn man Vertrauen hat, tut das Pferd ja alles für einen. Das ist schon alleine deswegen Quatsch, weil ein Pferd das Konzept „Vertrauen“ gar nicht versteht. Wie auch. Es ist nicht die hellste Kerze auf Darwins Torte. Vertrauen ist ein durch und durch menschliches Konzept, das vom Menschen kommt und beim Menschen bleibt. Trotzdem wird immer wieder von Urvertrauen geredet, gerade bei Jungtieren, ganz egal welchen – dabei ist das ein Begriff, der aus der menschlichen Pädagogik kommt.
Das ist einfach Blödsinn. Tiere lernen eben nur: Ach, der Mensch: Da bekomme ich Streicheleinheiten und etwas zu Naschen. Warum sollte ich davor fliehen? Generell ist es aber trotzdem so, dass sich nicht jedes Jungtier einfach sofort betatschen lässt, schließlich muss der Lernzyklus ja auch erst Mal stattfinden. Manche Fohlen sind da eher unempfindlich und lernen das im ersten Moment. Manche brauchen länger. Aber natürlich versteht das Pferd schon: Vom Menschen geht keine Gefahr aus. Sonst würde es sich später nicht reiten lassen. Der Mensch ist also gar nicht das Problem. Sondern die Instinkte des Pferdes, die wir ihm nie abgewöhnen werden. Geht auch gar nicht. Instinkt ist die stärkste Kraft, die das Pferd treibt und wenn sein Instinkt ihm sagt: Flieh! – Dann ist das nett, dass der Reiter darauf vertraut hat, dass das Pferd nicht wegläuft. Aber effektiv ist es eben trotzdem weg.
Ich traue meinem Pferd also soweit, wie seine Instinkte nicht angehen. Mein Pferd hat zum Beispiel noch nie getreten. Das heißt, ich bewege mich recht normal hinter ihm, gehe auch durchaus mal näher dran, als man das eigentlich sollte. Aber 100% Vertrauen? Warum sollte ich das tun? Wenn er mich doch jederzeit für einen angreifenden Puma halten könnte? Da lasse ich doch einfach etwas mehr Abstand und fordere seine Instinkte nicht heraus. Bin ja nicht lebensmüde.
Ich bin auch immer darauf gefasst, irgendwann mal runterzufallen. Das wird mir irgendwann sicher auch mal wieder passieren. Denn Ich habe keinen Roboter, sondern immer noch ein Tier mit eigenem Willen und Instinkten. Denn der eigene Wille ist ja auch noch da. Ich kann zwar meinem Pferd 100% vertrauen – aber wenn es gerade etwas nicht will, wird es sich melden. Ganz doof sind die halt auch nicht und wissen schon, wie sie sich um Arbeit oder unangenehme Sachen drücken können.
Ich gehe bei vielen Dingen auch gar nicht von einer Vertrauensbasis aus. Wenn wir uns zusammen was gruseliges angucken, dann geht er mit mir mit, weil ich ihn dazu auffordere. Ich weiß aber auch, dass er lieber weggehen würde. Er bleibt, weil ich suggeriere: Ist nicht schlimm, also heul nicht. Würde ich ihn alleine da stehen lassen, wäre er aber weg. Da kann man natürlich jetzt vom endlosen Vertrauen meines Pferdes sprechen. Aber das ist eigentlich etwas ganz Normales. Mein Pferd kennt mich. Es weiß auch, dass ich ihm nichts Böses will. Daran ist er gewöhnt (was nicht bedeutet, er vertraut mir – noch einmal, Pferd kennt das Konzept nicht). Also erwartet er, dass ich, wenn ich dabei bin, ihn nicht an Dinge heranführe, die ihn beißen. Allerdings: An jedes Ding eben auch nicht. Manchmal sind da ganz neue schlimme Sachen und da möchte er keine fünf Minuten sein, bevor der Instinkt ihm sagt: Nein, das geht jetzt echt gar nicht mehr, hau ab!
Auch da kann man natürlich jetzt sagen: Oh, Gott, das Pferd vertraut dir gar nicht. Oder ist es vielleicht nur noch nicht ab das gefährliche Objekt gewöhnt?
Können wir also künftig aufhören, auf diesem Vertrauensmist herumzureiten? Jeder fällt mal vom Pferd, jedes Pferd flüchtet, jedes Pferd widersetzt sich irgendwann. Weil es von diesem menschlichen Konzept: Vertrauen – noch nie etwas gehört hat und es mit seiner Gefühlswelt sowieso nicht verstehen kann. Es kann auch nicht verstehen, dass Reiter sich verletzt fühlen, wenn dieses ominöse „Vertrauen“ gebrochen wurde. Es lernt. Es vertraut nicht. Es lernt auch: Mir passiert nichts, wenn ich bei Frauchen bin. Bis ihm dann die Instinkte mal reingrätschen.
Foto: Vertraut nur auf eins: Dass Futter in seinem Trog ist.