Alle Jahre wieder kommt jemand auf die Idee eine Weihnachtsquadrille anzuzetteln. Im besten Fall ist die mit lustigen Weihnachtsmützchen, im schlechtesten Fall tanzt man turniergeschniegelt im Stall an und meint das voll ernst. Meine letzte Quadrille an Weihnachten war voll ernst. Zumindest gemeint …
Schon Wochen vorher war klar, wir machen so was, mit allem nötigen Tamtam, dann zu jedem Pferd noch ein Rasseportrait – warum ich ausgerechnet eins darstellen sollte, war mir schleierhaft, denn der Todesstern war „was Dänisches“ – laut Auskunft des Händlers. Das ist jetzt keine eingetragene Rasse … glaub ich. Also danach auch noch ein Soloründchen nach der eigentlichen Quadrille.
Wie immer war ich schon in den Proben immer letzte (wir erinnern uns an den Faible von Zuchtgebiet Mordor Todesstern – sie dreht gern um und bügelt eine Schneise in die Abteilung. Ging ja noch.
Die Proben selbst … uff … so wie rechts – links Schwächlinge hab ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Und wie schwer kann es sein, wenn man die Quadrille trennt, durch die Lücken zu wechseln? SEHR schwer. Vor allem, wenn noch das Selbstläuferpferd dabei ist, das bei jedem Wechsel zur Trabverstärkung ansetzt und dabei regelmäßig seine Reiterin verliert, weil die das ohne Bügel nicht sitzen kann.
Man hätte auch einfach alle durcheinander reiten lassen können – viel Unterschied hätte das bis dato für die Zuschauer nicht gemacht. Aber man frickelt sich so durch, bis bei der letzten Probe die Reitlehrerin alles umschmeißt – muss ja auch farblich und größentechnisch alles passen. Finde mich plötzlich an dritter Stelle wieder und hab alle Mühe den Todesstern hinterherlaufen zu lassen – so viel Trab hat die nicht. Neben mir, zu meinem Graus, das Selbstläuferpferd das schon darauf wartet, mir ins Pferd zu grätschen mit seiner Trabverstärkung. Die Reiterin grinst fröhlich bis dümmlich.
Die Probe läuft so lala, auch wenn offenbar die Hälfte der Reiter vergessen hat, wie noch mal der Ablauf war – ist ja auch schwer sich den zu merken, wenn man nicht mehr 2. sondern 4. Reiter ist. Das ist ja etwas völlig anderes!
Wir werden nach Haus geschickt mit dem Auftrag, morgen Pferde aufzuhübschen, einzuflechten, und in Turnierkleidung am nächsten Tag anzutanzen. Natürlich stilecht mit Hut. Hab aber gar keinen …
Am nächsten Tag ist Chaos. 14 verwirrte Reiter balgen sich um die Putzplätze (nicht, dass wir nicht genug hätten, aber sie wollen natürlich alle auf demselben Platz stehen, weil Keks). Ich bleibe unten am Platz und freu mich – ich hab Ruhe – außer mir ist nur die Ponyreiterin aus der Quadrille da – und ihr Glühwein, den wir natürlich auch mal kosten müssen.
Der Todesstern ist ungnädig, die findet Einflechten richtig blöd und drängelt mich permanent gegen die Wand. Mehrere „Sterbender-Schwan“ einlagen später hat sie Zöpfe wie Mini-Wini-Würstchenketten, aber immerhin, ist eingeflochten und sauber.
Ich auch, bin ja clever und hab den Kram noch nicht an, das mache ich ganz zum Schluss – ich bin ja so clever. Ungefähr die nächste halbe Stunde lang, bin ich das auch – aber um 10 vor Aufstellung stelle ich fest … ich hab gar keine Bluse dabei. Keiner hat eine Ersatzbluse und ich nur schwarz dabei. Dank Glühwein bin ich nicht clever sondern richtig doof und ziehe das T-Shirt aus, stopfe mir Servietten um den Hals und wurstle irgendwie das Plastron drüber. Sieht man nur von Nahem. Aber arschkalt! Gefüttert ist so ein Jackett ja nicht.
Schnell noch etwas Glühwein. Man nimmt Aufstellung vor der Halle, sind ja gleich dran … Mehr oder minder, wir stehen nämlich eine halbe Stunde da. Ich friere und friere … Immerhin nicht am Kopf, nen Hut hab ich mir ja geliehen.
Als wir endlich in die Halle kommen, fühle ich weder Hände, Füße noch Oberkörper, zittere mir einen zurecht und merke gar nicht, wie mein Todesstern angesichts des Publikums in den Schabernackmodus wechselt. Grüßen, anreiten, olé. Beschwingt vom Glühwein geb ich das Kommando zum antraben, aber der Todesstern streikt und geht rückwärts, seitwärts, Richtung Pony. Drohend hebt sie schon mal ein Bein – ich bin zwar zu dir gekommen, aber komm mir ja nicht zu nahe!
Pony keilt aus, Todesstern macht einen Satz ins Selbstläuferpferd rein, das vor Schreck gleich einmal mit der Trabverstärkung loslegt. Die Reiterin wird durchgeschüttelt und kommt irgendwo in der Ecke zum Stehen. Fröhliches Jingle Bells schallt aus den Lautsprechern. Wer hat denn von Musik geredet? Das ist ja ekelhaft, findet der Todesstern und keilt in Richtung Lautsprecher aus. Der fällt zwar nicht um, aber ich auf den Hals.
Nachdem sich alle wieder gefunden haben, zittere ich mich so durch, bis zum Galopp, lasse aber die Gerte fallen. Da gibt’s halt keinen Galopp mehr – findet der Todesstern, die gertenlose Leute gerne belächelt. Paddelt lieber im Idiotentrab hinterher.
Das Selbstläuferpferd fühlt sich berufen die Trabverstärkung zu zeigen und ich muss die Reiterin in der Ecke kurz stützen, sonst wär die wieder runtergeklappt. Kurzes Quietschen von hinten – beim Pony funktionieren die Bremsen nicht – da wird der Airbag des dicken Freibergers genutzt.
Noch mal Grüßen … ich mogle mich raus. Rasseportrait am Arsch. Werde aber wieder reingeschickt, wo ich noch mal eine Runde Paddeltrab zeigen darf, gar drei Galoppsprünge und meine Reitlehrerin gar nicht mehr weiß, was sie noch „Nettes“ über das Pferd sagen soll, denn die hat schon wieder die Ohren im Genick und droht aufmüpfig den Zuschauern mit dem Hinterteil.
Steige direkt nach der Halle ab. Man bringe mir Glühwein! Nie wieder Quadrille ohne Bluse. Oder mit Todesstern.
Foto: Bügelt sehr zuverlässig Gegenverkehr um. Ein bisschen Todesstern steckt in jedem.