Das Reiterleben birgt eine Menge Mysterien, die niemals gelüftet werden, falls der Nichtreiter keinen Reiter im Bekanntenkreis hat, der ihn mal mitnimmt. Daher sieht die Vorstellung meist komischerweise so aus:
Morgens um 09:00 Uhr steht der Reiter auf. Er sieht perfekt aus, denn die Damen im Katalog tun es ja auch. Warum er erst so spät aufsteht? Na, der Reiter ist reich. Der muss nicht arbeiten.
Kurz gewaschen und ein Sektchen hinterher, während er sich schon mal in die Reithose und die Stiefel zwängt. Beides blitzsauber, die Stiefel sind natürlich frisch gewischt und glänzen. Schnell noch ein Poloshirt mit einer dazu passenden Daunenweste und dann geht es auch schon zum Auto, einem nagelneuen Geländewagen, denn man muss ja den Anhänger mitnehmen. Haare machen und Schminken? Blödsinn, die Reiterin sieht schon perfekt aus und steht eh geschminkt auf. Das muss sie nicht machen.
Im Stall wartet schon der persönliche Stallbursche, der wie ein männliches Modell aussieht und der Reiterin das blank geputzte Pferd präsentiert und sie sogleich in den Sattel hievt. Dort reitet sie dann nobel ihre Stunde runter, übergibt dem Groom ihre Zügel und entschwindet ins Stübchen, wo sie noch mal ein Likörchen verköstigt, Small Talk über Pferde hält und dann in ihren heißen Schlitten steigt um Shopping zu machen. Natürlich fürs Pferd.
Und jetzt kommt die Wahrheit:
06:00 Uhr – Shit, verschlafen. Also nicht vor der Arbeit noch schnell selber Futter machen und die Medizin reingeben, sondern direkt hin. Klamotten? Ja, ja, die vom Vortag, liegen doch noch auf dem Nicht-Dreckig-Stapel. Bisschen zerknittert, der Hund hat drauf geschlafen. Aber geht noch.
Schminken? Ja, im Rückspiegel des Autos während des Staus. Reithose liegt, genau wie die völlig zugematschten Stiefel auf dem Rücksitz. Wird nachher angezogen.
Überstunden. Na, super. Nichts mit Reitstunde. Schnell den Stallbesitzer anrufen, ob der das Pferd mit der Medizin füttern kann, die es nicht mag. Schon wieder. Der ist total begeistert.
Ergo, noch bei der Tanke vorbei und einmal Merci kaufen, sowie Besserung schwören, wenn man angekommen ist.
Leider ist es Winter und Zappenduster, sodass an eine schöne Runde Gelände auch nicht mehr zu denken ist. Das Pferd hat wieder in Trog und Tränke gleichzeitig geäppelt, also ist Scheiße schippen angesagt.
Ist das erledigt, wird festgestellt, dass der Stallbesitzer zwar die Möhren mit der Medizin präpariert hat, aber das Pferd sie trotzdem nicht gefressen hat.
Eine matschige Spritze mit Bananenmatsch löst das Problem, sowie das Bekleidungsproblem – jetzt sind die Sachen wirklich dreckig, denn der Reiter hat vergessen sich umzuziehen. Oder es aus Bequemlichkeit nicht gemacht, denn es ist schon sieben und er hat beschlossen, dass es zu spät ist zum reiten.
Geht sowieso nicht, das Pferd hat sich wohl auf der Weide ein Eisen abgezogen, denn er findet es in der Box nicht. Dafür ist das Pferd aber bis in die Ohren mit Matsch überzogen.
Also macht der Reiter seine Möhren fertig, damit die morgen ins Futter geworfen werden und guckt wenigstens noch mal nach, ob denn der Schnodder besser ist. Da sich der Schnodder komplett auf seiner Jacke befindet, ist das schnell gemacht.
Anschließend lässt er die Schubkarre umfallen, weil er zu gestresst war zweimal zu gehen. Kehren ist angesagt. Spätestens jetzt sind die Schuhe ein Fall für den Müll, oder die Waschmaschine, je nach Waschbarkeit.
Mit einem Handkuss entfernt sich der Reiter von seinem Pferd, weil er eh schon starr vor Dreck ist, matscht sein Auto und anschließend die Wohnung voll ..
und das Kuriose ist: Das macht er einfach am nächsten Tag noch mal. In der Hoffnung, dass er mehr Zeit hat.
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