Das Reitergör – jeder kennt es. Sie ist eine Ansammlung von Klischees, mal in diese Richtung ausschlagend, mal in die andere, aber jeder kennt eine davon. Das ist das fatale an der Reitertussi. Denn sie bringt uns andere ja alle in Verruf. Und Männer davon zu überzeugen, dass nicht alle Frauen die reiten SO sind, ist noch mal viel schwieriger.
Es fängt schon in der Jugend an. Die Reitertussi bekommt nicht nur Reitunterricht, zu dem sie immer geschniegelt, aber nur geradeso rechtzeitig auftaucht, nein sie bekommt auch das Pferd dazu. Aber von vorn:
Die Reitertussi schlägt im Stall auf. Sie ist vierzehn und wird von Mutti gefahren, denn man kann ihrem holden Hintern keine Fahrradtour oder gar einen Fußweg zumuten. Die Reithose ist aus der neuesten Kollektion und ist nach zweimal tragen auch wirklich aus der Mode, deswegen hat sie sehr viele. Das Polohemdchen mit gestärktem Kragen und die gewichsten Lederstiefel glänzen schon auf 10 Kilometer – hat natürlich Mama gemacht.
Zur Reitstunde ist sie zwar pünktlich, aber zum putzen nicht. Man sattle ihr den Gaul! Die Tussi will reiten. Vorher wird die Schibbi-Schabbi des Schulpferdes aber getauscht. Und bandagiert (irgendwie eben, Hauptsache man kann die neuesten Weihnachtsgeschenke drapieren).
Nachdem Pferd und Tussi fertig sind, geht es in die Halle. Nie ohne Sporen und Gerte, denn das zeichnet ja den Reiter aus. Am Anfang noch mit Helm, wird der aber schnell verbannt, je älter die Reitertussi wird – macht doch die Frisur platt. Ohrringe baumeln bis zu den Schultern, ein keckes Nasenpiercing vielleicht noch, was besonders rebellisch wirken soll, aber Mutti bügelt immer noch die Polohemden.
Wenn die Reitlehrerin meckert, gibt es für das Pferd eins mit der Gerte. Weil die Reitlehrerin mit dem Gemecker natürlich nicht die Tussi meint, sondern das Pferd. Das ist mittlerweile schon das zweite eigene, das erste war dann doch blöd, damit kommt man ja nicht weiter.
Hat aber den Nachteil, dass man da wieder selbst putzen muss – das macht einem keiner fertig. Aber kommt Zeit, kommt Mutti, die lernt fix, wie man sattelt und trenst, damit der Jungspund nicht wirklich selbst Hand anlegen muss. Der macht nämlich gerade Selfies mit dem Smartphone.
In der Schule weiß jeder, dass die Tussi nicht nur Tussi sondern auch Reitertussi ist. Das äußert sich deswegen, weil sie alle Hobbys blöd findet, außer reiten. Guckt aber auf andere Reiter herunter, denn sie ist etwas Besseres, sie hat ja schon das eigene Pferd. Das dritte mittlerweile, sie möchte jetzt springen. Das andere geht ja nur Dressur.
Dann geschieht etwas, das die Reitertussi ins Wanken bringt – der erste Freund. Der findet Pferde einfach nicht so geil wie seine Freundin und mag auch nicht ständig im Stall rumlungern, sondern lieber die dazu passende Blondine in Polohemdchen flachlegen.
Die nächsten 3 Wochen sieht man nichts mehr von unserer Reitertussi, bis sie reumütig mit einem empörten: „Männer sind Schweine „wieder im Stall aufschlägt. Da sich um das Pferd aber keiner gekümmert hat, während die Reitertussi auf Wolke 7 war, ist es jetzt doof. Will gar nicht so wie seine Reiterin.
Weg, weg, weg, Mutti kauft schon ein neues. Und bügelt auch weiterhin die Polohemdchen, obwohl Tussi jetzt ein eigenes Auto hat. Den Hänger gleich dazu, denn sie hat ja Abitur. Und einen neuen Freund, der auch schon wieder spannender als das Pferd ist. Betont aber immer wieder, dass sie reitet. Einmal in der Woche Alibireitstunde. Ansonsten schimmelt das Pferd in seiner Box herum – bis man sich eine Reitbeteiligung anlacht. Die wird genauestens kontrolliert, ob die denn auch die richtige Schibbi-Schabbi zu den bierschissbraunen Gamaschen nimmt. Unsere Reitertussi ist jedenfalls plötzlich richtig oft im Stall, schon allein damit sie kontrollieren kann, ob die doofe Reitbeteiligung die Dreieckszügel dranlässt.
Aber ach, nur ein einziges Mal ist sie nicht da und schon passiert es, die Gerte geht kaputt, das Pferd stand drauf. RAUS! Die Reitertussi ist empört, sie will die RB nicht mehr und das Pferd am besten auch nicht, aber Mutti ist irgendwie genervt und will ken neues mehr kaufen.
Notgedrungen kümmert sie sich dann wieder selber. Leidend. Immer gut gestyled. Unter bösen Blicken von ihrem Freund, der viel lieber kuscheln will. Aber Mutti hat ihr die Polohemdchen gebügelt und die Perlenohrringe geschenkt. Die müssen also getragen werden.
Foto: Damit er im Zwielicht nicht verloren geht, trägt Mozart neongrün.