Ich frage mich ja, warum Pferde überhaupt früher überlebt haben. Wie haben die es nur geschafft, durch die Steppen zu ziehen, ohne etwas Kräftigendes für die Muckis, ein Heilsälbchen für das Äuglein oder ein Pülverchen über dem frisch angerichteten Müsli zu haben? Wieso leben die noch? Dieser Vergleich hinkt natürlich in den Augen aller Pulvergeber, denn das Pferd leistet ja so viel mehr … während es mal wieder in der Box steht, eine Stunde geritten wird von jemandem der keinerlei Ambitionen hat.
Für alles gibt es ein Wundermittel. Mein Wundermittel (Nichtstun, sofern nichts Weltbewegendes ist und die Sache noch frisch), kommt da gar nicht gut. Ich mache mir also den Spaß – frage mal in einer Gruppe: Woher kommt denn das (Foto zeigt: ein paar fehlende Haare überhalb des Maulwinkels – man sieht die schwarze, unverletzte Haut darunter). Bevor ich überhaupt erfahre, bekomme ich schon erste Behandlungsvorschläge, von Ringelblumensalbe, bis hin zur chemischen Keule. Dann noch ein paar kesse User, die nur stänkern wollen: „Kommt vom Gebiss.“ Mh … wie gut, dass er das letztes Mal vor ca. 10 Monaten drauf hatte. Davon wird das sein. Pilz ist es auch. Dafür werden mir auch gleich 200 Präparate genannt, auch eines für Vaginalpilz. Was denken die denn bitte, wo mein Pferd vorher mit seiner Nase war?
Ich bekomme einen Tag später die Auflösung – das ist nur das Shetty, das sich terriermäßig schon mal in die Bäckchen meines Arschlochpferds verbeißt. Vorher habe ich aber noch schlaue Tipps zu Allergenen und Schüßler Salzen bekommen.
Für alles gibt es Abhilfe. Das Pferd steigt? Fütter doch mal was dagegen. Da gibt es was von St. Hastenichtgesehen. Für die Muskeln. Denn die Wahl des Mittels impliziert vor allem die Diagnose. Die kann man sich quasi verbal schenken und gleich was zum Dazufüttern vorschlagen. Ist ja auch so gesund. Für Magen und Darm, die mögen Industriekrams richtig gern.
Auch wenn das Pferd sein Futter nicht frisst – dafür gibt es dann auch noch ein Pulver – so kann man ja anders nachhelfen. Salben bis zum umfallen. Jeder hat irgendwelche Cremes die kühl halten, irgendetwas das desinfiziert und wenn man sonst nichts hat, schmieren wir halt mal Nivea aufs Pferd, weil es eine raue Stelle hat. Oder unreine Haut. Gibt sogar Freaks, die Clearasil aufs Pferd schmieren, wenn es komische Pickel hat.
Für die Hufe gibt es auch alles: Etwas für ins Futter, etwas zum Auftragen, etwas zum Sprühen, ach, am besten noch alles zusammen. Ob wir es brauchen, sei mal dahingestellt, aber zu viele Reiter pinseln einfach gerne an ihrem Pferd herum, richten extra Futter her oder cremen und waschen es mit den unterschiedlichsten Dingen.
Es ist übrigens ganz egal, ob es sich um ein pflanzliches Mittel handelt oder um die Chemiekeule – Hauptsache es ist teuer. Dann wird es besonders gern gekauft.
Aber dann ist da ja auch noch die wirklich schlimme Seite dieser Medaille: Das Pferd hat wirklich etwas. Ist zum Beispiel schlecht bemuskelt. Dann reicht es manch einem Reiter völlig, künftig Muskelaufbauzeug ins Pferd zu kippen, aber weiter falsch geritten wird trotzdem. Oder der unpassende Sattel ignoriert.
Generell wird sowieso lieber bei Empfehlungen für Zusatzmittel und Wunderheilung grundsätzlich das Internet gefragt. Der Tierarzt nicht. Nachher will der noch Geld für seinen fachlich fundierten Rat. Da kauft man lieber die 100 Euro Creme aus geriebenen Perlen und schmiert sie sich aufs Brot. Wahlweise auch aufs Pferd.
Dank solcher Leute müssen dann Menschen, deren Pferd ein ernsthaftes Problem hat, oftmals tief in die Tasche greifen – schließlich sind die Produkte gefragt und damit kann man Mondpreise für Hustenkräuterchen und Wundersalben verlangen.
So sehr sich die Bande der Zufütterer uneins ist, WAS man denn so zufüttern soll, so sind sie sich aber einig: Doping ist ganz doll böse. Egal was sie wieder in ihr Pferd gekippt haben – Doping ist Tierquälerei. Würden die mal lesen, was alles als Doping gilt (zumindest beim Direktorium … die FEI ist nicht so die Vorzeigeperle) dürfte aber mindestens die Hälfte von denen nicht mehr reiten, denn das Direktorium ist rigoros – Rennen wird aberkannt. Und bestraft wird noch dazu. Auch für Lappalien.
Während die Freizeitreiter-ichmusswaszufüttern-Fraktion mal wieder gecremt, geföhnt, geschmiert, geölt und zugefüttert in den Sattel steigt. Komische Leute …
Foto: Sommer wäre jetzt besser.