Reitende Späteinsteiger haben es nicht leicht, denn ihnen fehlt vor allem die Unbeschwertheit der Kinder, die ganz selbstverständlich an jedes Pferd herantreten, um es zu satteln, es zu striegeln und auch mal herunterfallen, ohne sich überhaupt etwas zu tun.
Reitende Späteinsteiger sind im Umkehrschluss zwar keine Angsthasen, aber sie sind eben älter und damit auch einfach weiser als Kinder – denn sie wissen, was in der Welt so passieren kann. Onkel Hubert ist die Treppe runtergefallen und hat sich das Genick gebrochen. Wie schnell kann so etwas gehen! Das wissen sie – im Gegensatz zum unbeschwerten Elfjährigen, der jetzt schon wieder völlig vergessen hat, wer der Onkel Hubert eigentlich war, den er nur dreimal im Jahr gesehen hat.
Der Späteinsteiger hat aber einen Vorteil: Er ist im Leben schon besser organisiert, er kann Kommandos besser umsetzen, kurzum: Er ist ein angenehmer Zeitgenosse, sofern er lernwillig und stallkompatibel ist. Allerdings ist er auch Perfektionist und macht sich sehr viele Sorgen. Das geht ja schon vorher los.
„Bin ich auch pünktlich im Stall? Ich möchte das Pferd ja auch putzen. Wenn ich jetzt nicht pünktlich bin, denken alle, ich würde nur reiten wollen …“
Und prompt steht der Späteinsteiger im Stau. Abgehetzt wird sich dennoch zum Stall gekämpft, wo der Reitlehrer die Schulpferde vertauscht hat und der Späteinsteiger plötzlich mit einem ganz fremden Pferd konfrontiert wird.
Das überfordert ihn doch ein bisschen. Und die Lästerschwestern an der Bande, die großspurig von der Hausfrauenreitstunde sprechen, die haben natürlich Spaß. Denn Späteinsteiger sind ein gefundenes Fressen für alle Lästerschwestern.
Dieses neue Schulpferd ist auch nicht so wie die anderen Pferde, das muss man auf jeden Fall losbinden, wenn man es sattelt, sonst wirft es sich schon mal in die Riemen.
Der Späteinsteiger stößt hier auf ein weiteres Problem: Leute fragen. Was bei kindgroßen Reitern noch durchaus im Rahmen ist, ist für Erwachsene nur noch peinlich.
„Ich brauche wirklich Hilfe. Aber ich kann ja hier keinen Fragen, dann denken die, dass ich keine Ahnung habe …“ Ergo fragt der Späteinsteiger mit hochrotem Kopf auch nicht.
Dafür braucht er länger und das weiß er leider auch, was ihn zusätzlich verunsichert. Und der Reitlehrer fragt auch noch, wo er bleibt, was den Druck mit dem zusätzlich sattelschwierigen Pferd erhöht.
Nicht gut, gar nicht gut. Und wie das schon das Bein hebt … der Späteinsteiger hat im Kopf jedenfalls schon alle Szenarien von Huf vs. lebenswichtige Organe zusammengesetzt.
Ist das Pferd aber endlich erklommen, hat der Späteinsteiger dann auch endlich seine Reitstunde. Aber das Pferd ist so komisch. Bestimmt merkt das, wie der Späteinsteiger sich fühlt. Und dann meckert der Reitlehrer heute auch unentwegt.
Entsprechend gestresst fährt er also am Abend nach Hause.
Trotzdem kommt der Späteinsteiger wieder. Er kauft sich sogar ein Pferd, denn er möchte eben auch eins. Er hat das Geld, die Zeit und ist keine zwölf mehr. Beste Voraussetzungen, sollte man meinen. Wenn man Mitreitern glaubt, dann nicht. Denn Späteinsteiger kaufen ja nur komische Pferde. Entweder was vom Schlachter, oder aber ein Pferd, mit dem sie noch überhaupt nicht klarkommen, aber es gerne würden. Dazwischen gibt es, laut Reitersleuten, nichts. Und diese Lebenslüge kommt ja auch nicht von ungefähr … wir kennen alle so einen Späteinsteiger, der viel lieber weiter Schulpferde reiten würde, als sich nun mit seinem Pferd auseinander zu setzen. Aber er hat es nun gekauft und so muss er sich arrangieren. Aber nicht um Hilfe fragen, denn das ist zu ungangenehm.
Was er anschließend erlebt … das erfahrt ihr morgen 😉
Foto: Checkt mal ab, was in Silent Hill so geht.