… oder: Sie haben Angst vor der Tatsache, dass etwas weg ist. Denn sie könnten die nächsten sein, die künftig „weg“ sind. Das scheint Pferden deutlich mehr Angst zu machen, als Dinge, die plötzlich neu sind. Man kann nämlich anstellen was man will: Die grüne Plane, die ist vielleicht mal einen Tag gruselig, dann ist das Theater durch. Aber wenn jemand die grüne Plane wegnimmt: Hui, dann ist Kirmes im Stall.
Ich möchte euch das heute mal an einem arschlochpferdigen Beispiel beschreiben.
Wir bauen im Stall um. Da wird ein ganzes Haus auf dem Grundstück abgerissen und dafür braucht man natürlich allerhand schweres Gerät. Auch Bagger, die mein Pferd wirklich toll findet. Er leckt an der Schaufel, er drängelt hin, wenn man ihn rausbringt – Hauptsache, er darf mal Bagger gucken. Vielleicht ist das typisch Mann – aber es interessiert aus pferdischer Fluchttiersicht null. Der Bagger selbst darf auch weggehen, solange er ihn sieht. Das ist nicht so das Problem.
Als ich jedoch Montag wieder in den Stall komme ist plötzlich etwas anderes weg: Unser Birnbaum!
Pferd macht einen hysterischen Satz weit weg von der Stelle, wo riesige Birnbäume einfach verschluckt werden und ist auch erst untröstlich. Da möchte er nicht mehr hin.
Auch beim Reinholen dasselbe Spiel. Hilfe, der Birnbaum ist weg! Man sollte doch meinen, dass die Abwesenheit von etwas auch die Abwesenheit von Gefahr bedeutet. Aber nö – nicht für ein Pferd.
Dass der Bagger weg ist, ist übrigens egal … auf die Seite wird gar nicht erst geguckt. Vielleicht merkt er es ja innerhalb der nächsten Tage.
Glaubt ihr nicht? Doch, doch … das ist so. Das lilafarbene Fahrrad am Tor … also das wird nur einmal doof angeglotzt. Jemand hat es nach dem Schützenfest da abgestellt. Es ist sehr knallig in den Farben, deswegen muss man trotzdem mal prüfen, ob es nicht beißt.
Aber okay, Fahrrad beißt nicht, es wird nur kritisch beäugt. Als jedoch nach einigen Tagen der Besitzer das Fahrrad wieder abholt, ist ans Gelände nicht mehr zu denken. Trötend und prustend piaffiert das Pferd vor dem Tor und rastet vollkommen aus. Hilfe, Hilfe, jemand hat das Fahrrad weggebracht. Der kommt bestimmt gleich und bringt mich auch weg. Zum Metzger oder so!
Auch immer wieder ein Highlight – die Nachbarn mit der Ziege. Keine echte Ziege, nein, eine weiße Plastikziege. Sie wird im Winter scheinbar reingeholt. Mozart schiebt dezent Panik, wenn er sie sieht. Wenn er sie aber NICHT sieht, dann muss sie sich versteckt haben. Im Winter ist der Ziegenweg ganz was Böses … es ist schier unmöglich, ihn vom Theater abzuhalten, das er veranstaltet, wenn er am Ziegenhaus vorbei soll. Irgendwo lauert dieses fiese Plastiktier um arme Pferde in den Schlund der Hölle zu ziehen. Und wer das nicht glaubt, sollte mal mein Pferd fragen …
Aber nicht nur mein Pferd hat panische Angst vor Dingen, die plötzlich NICHT mehr da sind. Auch der Todesstern. Mitten im Parcours wird entschieden, dass wir einen Sprung abbauen, der passt so nicht, die Reitlehrerin lässt ihn lieber weg und räumt Stangen und Ständer beiseite. Dass plötzlich Stangen und Ständer in einer Ecke stehen, das wird nicht mal kommentiert. Dass der Sprung aber plötzlich fehlt, passt jetzt nicht ins Weltbild, das geht überhaupt nicht.
Sie rastet völlig auf der Diagonalen aus, weil da jetzt nicht mehr gesprungen wird, macht sogar einen trotzigen Satz über einen schiefen Schatten. Da war ein Sprung! Man bringe ihn mir. Bis zum Ende der Springstunde beruhigt sie sich nicht. Die restlichen Sprünge werden nur so im Vorbeigehen gewischt, alles dreht sich nur noch um den fehlenden, gelben Sprung.
Frage mich wirklich, was Pferde sich dabei denken, sich noch mehr vor Sachen zu fürchten, die nicht da sind, als vor Sachen, die offensichtlich da sind und vielleicht sogar böse flattern, knarren oder anderweitig gefährliche Dinge machen …
Foto: Ja! Wir reden über dich!