Reitweisen sind etwas Schönes und Gutes, denn man kann sich an sie halten, sie folgen ihren eigenen Regeln und man kann immer nachschlagen, oder Leute befragen, wenn man mal nicht weiter weiß. Reitweisen definieren uns und unser Pferd und es fällt uns leichter damit zu arbeiten, weil wir ein Gerüst haben, an dem man sich entlanghangeln kann.
Nur: Das hört auch schlagartig auf, wenn die eigentlich gewählte Reitlehre nicht zum Pferd passt.
Ich hab ja echt eine Menge ausprobiert. Ich bin ja eigentlich ganz normaler Englischreiter. So nach FN und so. Ist mittlerweile schon fast verpönt, darf man ja gar nicht mehr sagen, denn da schreien alle gleich Rollkur. So wie beim Westernreiten alle Leute was von fußlahmen Krüppeln erzählen, die einjährig geshowed werden. Weil die Dinge oft einen so schlechten Ruf haben und eben auch mal Pferde aus der Din-Norm der Reitlehren fallen, wenden sich viele vom althergebrachten ab.
Aber ist das zwingend gut? Da gibt’s dann die klassische Reiterei. Mir ein Buch mit sieben Siegeln. Nicht zuletzt, weil ich dafür erstmal gefühlt mehr Bücher als das „Rad der Zeit“ überhaupt hat, wälzen muss. Eigentlich will ich aber doch reiten. Und mit meinem Pferd lernen. Das lernt jedenfalls nicht davon, dass ich ihm die Bücher vorlese, damit das mal klar ist.
Trotzdem sind da manchmal interessante Dinge drin, die man mitnehmen kann. Ins Training einbauen, oder auf die man achten kann.
Natürlich gibt es auch die Westernreiter, die schwören ja auf Horsemanship und Bodenarbeit. Aber eigentlich ist das gar nicht mein Problem mit meinem Pferd. Was soll ich den am Boden bemurksen, wenn er selbst einen wahnsinnigen Unterschied darin macht, was auf dem Boden und im Sattel passiert? Ne … aber die Impulse … also damit kann er was anfangen. Dieses nicht konsequente durchtreiben, was man in der Englischreiterei kennt. Nicht ständig „dran“ sein müssen – denn das mag er gar nicht. Er ist halt kein Kind, was sich bevormunden lässt. Ja, irgendwie ist das gut.
Aber irgendwie auch nicht. Das passt nicht. Schon mal gar kein Westernsattel, der ihm gar nicht schmeckt. Auch die Zäumungen sind nicht so seins.
Na, dann suchen wir mal weiter. Am Ende wird man aber feststellen – nichts entspricht dem eigenen Pferd und seinen Vorlieben. Oh, Shit. Jetzt ist man so ein Schubladenloser Reiter. Einer der belächelt wird, weil er IRGENDWIE reitet und nicht nach Reitlehre X!
Und überhaupt, das Pferd kann ja kein normaler Reiter dann mehr reiten, weil niemand versteht, was ich diesem Pferd für sinnlose Kommandos beibringe.
Spätestens dann, wenn man gezwungen ist, die Reitweise zu wechseln, fällt es uns nämlich zum ersten Mal auf. Irgendwie funktioniert das HIER nicht so, wie ich das mal gelernt habe. Ja, ich blauäugiges Naivchen hab doch glatt versucht, irgendwie mit kurzen Bügeln mein Bein zurückzulegen bei den Rennpferden. Dass die nicht stehengeblieben sind um mich blöd anzugucken, frei nach dem Motto: „Was machst du da?“, war auch alles. Die machen das schon. Ganz egal, was DU gelernt hast. Sie haben was anderes gelernt. Also pass dich an oder stirb.
Also nimmt man natürlich eine weitere Reitweise an. Schon, damit man nicht verloren geht.
Und so entwickelt sich schon der Weg, weg vom Mainstream, nach Reitweise X. Irgendwann sind wir gezwungen über den Tellerrand zu gucken. Wir könnten natürlich auch stur weiter unser Ding machen und versuchen, beim Westernpferd die Zügel permanent anzunehmen. Uns dann aber bitte nicht wundern, wenn das plötzlich mit der Hinterhand an der Hallenbande anschlägt.
Es gibt niemals nur einen Weg. Und nur eine Schublade. Was wäre das denn auch für ein unsinniger Schrank? Keiner braucht nur eine Schublade. Er braucht auch eine große Ablage, um alles, was er benötigt, dort zu sammeln. Und so sollten auch Reiter handeln.
Foto: Der Westerngalopper mit Englischallüren und klassischer Handarbeit.