Ich weiß nicht, seit wann es so total out ist, die Körpersprache seines Pferdes zu verstehen, aber ich habe das Gefühl, dass es schlimmer wird. Ja, jetzt, wo man das Internet hat und sich auch dauernd Videos ansehen kann, sieht man es einfach häufiger. Vielleicht haben die Leute früher aber auch einfach mal fünf Minuten auf ihr Pferd geschaut, statt auf ihre Eskiii-Schibbi-Schabbi.
Kennt ihr auch alle diese Fotos, wo der Reiter ja ach so liebevoll mit einem Arm den Kopf umfasst um ihm blöd auf der Nase rumzurubbeln? Oft auch bei gewissen Profis zu sehen, die gerne mal grunzen.
Ich kenne kaum ein Pferd, dass das mag. Die meisten Pferde finden dieses Einklemmen blöd, meins eingeschlossen. Anfassen – ja, okay. Aber bitte nicht draufdrücken, damit der Kopf so hübsch im Arm liegt fürs Foto.
So wundern dann nicht die vielen: „Zeigt her eure Fails“-Beiträge in diversen Pferdegruppen, wenn man dann ein Pferd mit angelegten Ohren sieht, das empört vor seinem Reiter zurückweicht. Ne, da stirbt es sicher nicht von. Aber muss man das dauernd machen, wenn das Pferd es blöd findet? Es bleibt ja nicht bei einem mal. Sieht man ja an diversen Fotosessions.
Ich habe zum Beispiel auf meinem Profilbild einen Kandidaten, der kein Wasser an den Ohren mag. Sieht man da. Habe ich dort live und in Farbe rausgefunden, hatte bisher noch keine Notwendigkeit gesehen, ihm die Ohren zu waschen. Aber wenn ich das doch weiß, dann mache ich das künftig nicht dauernd, nur damit mein Foto cool ist und Vertrauen ausstrahlt. Oder Liebe …
Auch die gesamte Körpersprache wird zuverlässig missverstanden. „Oh, Gott, das arme Pferd, das hat Todespanik, man sieht das Weiße im Auge!“ Meist gefolgt von: Tierquälerei. Mal davon ab, dass bei manchen Pferden das ominöse Weiß auch einfach permanent sichtbar ist: Todesangst und weiß haben null miteinander zu tun. Da kann das Pferd noch so neugierig schauen, das wird bestimmt im Hintergrund gehauen.
Pferde, die Schwitzen sind auch immer gequält. Pferde, die angestrengt atmen und auch mal den Kopf nach getaner Arbeit hängen lassen (weil anstrengend), sind per se ganz arme Tiere. Dass die sowohl müde, als auch zufrieden sein können, ist schier unmöglich. Sieht man doch, das arme, arme Pferd. Zufriedenes Abschrauben wird ignoriert. Das erstickt bestimmt gerade.
Pferde die das Maul aufmachen, haben Reiter mit zu harter Hand.
Ein Pferd, das im Schatten döst ist völlig ausgelaugt. Oder ein wild bockendes Pferd, das gerade ernstlich versucht den Reiter loszuwerden, weil es sehr eindeutig nicht damit einverstanden ist, was der tut, wird als „lebensfroh“ abgetan. Ein Tretendes als verspielt, obwohl die ganze Körpersprache sagt: „Halt doch mal dein Bein dazwischen, mal gucken, wie laut es kracht.“
Klar gibt es Pferde, die haben eine kompliziertere Körpersprache. So ein Todesstern zum Beispiel, die gibt es ja nur mit angelegten Ohren. Da muss man dann gucken, ob die sehr schlecht gelaunt ist oder nur schlecht. Unterscheidet sich in feinen Nuancen, die man kennenlernen muss. Aber es gibt ja nicht nur Todessterne auf der Welt. Sondern völlig normale Pferde, denen man schon irgendwie ansehen kann, ob sie aufmerksam, gelangweilt, zufrieden, müde oder sonst was sind.
Auch verstehe ich Leute nicht, die nicht sehen, wann Pferde Schmerzen haben. Fremde Pferde, deren Verhalten man gar nicht einordnen kann, mal außen vor – aber bei meinem eigenen Pferd sehe ich sofort, wann der Tierarzt kommen muss (oder er die Dramaqueen auspackt, wenn etwas zwickt). Ich sehe es an der Art, wie er sich zu mir dreht. Ich habe ihn ja auch schon sieben Jahre, ich beobachte sein Verhalten. Vielleicht beobachte ich es einfach zu oft außerhalb des Instagram Filters …
Jetzt mal im ernst … Wie kann man denn so ignorant dem Tier gegenüber sein? Wenn ich dann Videos sehe, wo sie uns die Lauflust der Tiere präsentieren, während das Vieh in einem Affenzahn mit eingekniffenem Hintern durch die Halle fetzt, dann schüttelt es mich.
Ja, sicher, das gilt nicht für alle Reiter … aber es fängt eben mit den kleinen Dingen, so wie dem oben erwähnten Kopf einklemmen für das tolle Seelenpferd-Foto an und hört dann bei so Dingen auf wie: Das arme Tier ist völlig heruntergekommen, weil es den Kopf hängen lässt.
Foto: Nimm mich mit rein, es ist Essenszeit.