Kennt ihr auch diese lästigen Fragensteller? Mein Pferd sieht zu dünn aus, was kann ich füttern? Da krieg ich ja jedes Mal die Krätze. Vielleicht, weil ich die Frage öfter höre, da ich mich in Vollblutgruppen herumtreibe und die sind ja für den Ottonormalreiter immer zu dünn und ganz verhungert. Aber auch in ganz vielen anderen Gruppen ist es ein heikles Thema: Der Gaul muss speckefett und glänzig werden. Haut mal eure Futtertipps raus.
Ich möchte jedes Mal schreien und toben, wenn dann Mais und Müsli empfohlen werden. Aha … und dann ist das unbemuskelte Pferd irgendwann fett, hat ein Magenproblem, aber keiner kann mehr sagen, dass es hungert. Und geritten werden kann es dann auch … logisch. Weil man ja immer auf dem Fett reitet, nicht auf den Muskeln. Anschließend haben sie also ein fettes Pferd, das man immer noch nicht reiten kann. Aber keiner sagt mehr: Hilfe, man sieht die Rippen. Was hat das jetzt gebracht? Mehr Kilos, weniger Gesundheit. Jedes Kilo zuviel ist schließlich auch für ein Pferd ungesund.
Also noch mal langsam: zum Mitschreiben. Mitnichten sind 90% der Pferde zu dünn, die diese Fragesteller posten. Sie sind nur schlecht oder unbemuskelt. Auch ein fettes Pferd hat keine schönen Halsmuskeln, wenn es nicht gearbeitet wird. Es hat auch keine Rückenmuskeln. Und keine Bauchmuskeln – alles Dinge, die es braucht, um seinen Reiter tragen zu können. Ich kämpfe da auch jedes Jahr mit. Weil er im Fellwechsel seine ganze Energie in den Fellwechsel steckt … dafür aber die Muskeln schwinden und er sein Fett verpulvert. Dann sieht der auch kacke aus. Aber ist das ein Grund, Mais und noch mehr Grütze ins Pferd zu stopfen?
Nein, wirklich, da hört bei mir jegliches Verständnis auf.
Sagen darf man das den Leuten nicht. Schon mal gar nicht den Vollblutreitern.
“Mein armes Pferd ist so dünn!”
“Nein, das ist unbemuskelt, du musst schon beides tun – füttern und arbeiten. Sonst wird das nicht besser.”
“Wie kannst du es wagen, ich hab das gerettet!”
“Und was hast du dann mit ihm gemacht?”
“Nix, soll ja erstmal zunehmen.”
Ja, denn … bye, bye Muskeln …
Überhaupt, ist Arbeit scheinbar out. Lieber schnell ein Futter geben, oder ein Pülverchen. Dann bekommt das Pferd ganz allein seine Adonis-Form. Warum strenge ich mich ständig so an? Ich hab einfach nur noch nicht das passende Futter reingekippt. Heu ist wohl einfach nicht so der Muckimacher, der mein Pferd ganz ohne Arbeit in die richtige Form bringt. Nie wieder Doppellonge. Nie wieder kraftzehrendes, richtiges Reiten, Stellen und Biegen. Juhuuuu! Ich setze mich mit einem kühlen Drink auf den Platz, stopfe Futter in das Pferd und dann wird das schon von ganz alleine.
Ich verstehe natürlich, dass diese Vorstellung total sexy ist. Nix tun, aber ein top proportioniertes Pferd bekommen. Aber die Wahrheit ist dann die: Die angeblich so dürren Pferde haben anschließend eine Wampe. Sonst haben sie nichts. Eine Wampe macht aber das Reiten hinterher nicht einfacher, noch gesünder. Sie lässt auch nicht an den richtigen Stellen Muckis wachsen. Auch wenn man natürlich Masse braucht, um Muskeln aufbauen zu können. Aber so klapperdürr sind die gezeigten Pferde halt gar nicht erst, sodass man da nicht schon mit der Arbeit beginnen könnte.
Und was noch gruseliger ist: Wenn das bei Jungpferden passiert. Dass Jährlinge aussehen, wie Wildunfälle, das wissen wir doch. Die sehen auch mal klapperdürr aus im Wachstum und die brauchen Energie. Aber doch bitte nicht noch zehn Kilo Müll rein, damit der nen Wanst bekommt! Das ist ein junges Pferd! Das sich ständig verändert. Warum kann man sich da nicht mal an den Profi wenden, wenn es um Fütterung geht? Oder sich mal selbst etwas schlau machen? Ach, nein, ist blöd. Dauert genauso lang, wie anständig Muskeln aufzubauen, wenn man sich da weiterbilden muss … wird deswegen wohl nicht gemacht.
Foto: Ist nicht zu dünn. Sondern einfach normal.