Bei mir im alten Stall war man wer, wenn man sein aktuelles Reitpferd korrekt an die Hilfen und durchs Genick reiten konnte. Das ist gar nicht so einfach, denn eigentlich braucht man dazu viele Sachen. Ein losgelassenes Pferd mit aktiver Hinterhand, die untertritt, einen schwingenden Rücken und dann kann es auch nachgiebig im Genick werden – soll aber dabei immer noch mit ebendiesem den höchsten Punkt bilden, wenn dann auch noch die Aufrichtung stimmen soll.
Viele Reitlehrer können das nicht mal richtig erklären. Meine auch nicht. Jetzt schreit bestimmt jeder: Dann ist es eine schlechte Reitlehrerin – aber dem ist nicht so. Die hat gesagt, was ich fühlen muss. Und mir dann Bescheid gegeben, wenn es passt. Mich nach dem gefragt, was ich spüre und mir dennoch meine Fragen beantwortet.

Aber bis dahin ist es ein langer Weg. Mit vielen Irrungen und Wirrungen. Und einem Todesstern, der mir was hustet.
Ich trabe so da lang, gebe Paraden, spiele mir einen Wolf. In der Wendung dann: „Jetzt!“
„Nein. Die hat sich nur mal ein bisschen gebogen. Soll die eigentlich immer machen.“
Hm … okay. Ich reite weiter, meine Kringel werden kleiner. Da senkt sich der Schädel kurz.
„Jetzt!“
„Nein. Die ist über ihre Füße gefallen und hat mal genickt.“
Mehr Bein, mehr Aktivität, mehr Paraden. „Jetzt?“
„Nein. Nennt man riegeln. Steig fünf Mal auf und ab.“
Aber jetzt! Jetzt hupft sie im Galopp vorwärts und der Kopf kommt runter.
„Pferd ist noch da, brauchst nicht gucken.“
„Ist es jetzt richtig?“
„Nein, die versucht zu buckeln, aber deine Zügel sind zu kurz.“
Verdammt …
Wie macht man das denn nun? Trabe im Zirkel, da schaue ich runter und der Todesstern senkt wieder den Schädel. Pariert allerdings durch. „Jetzt?“
„Nein, die juckt sich gleich an der Brust. Wieso guckst du eigentlich nur auf den Kopf? Nur weil das „durchs Genick gehen“ heißt, spielt sich nicht alles nur am Genick ab.“

Hm … wie meint die Frau das denn jetzt nur? Ich würde fast behaupten, 60% der Reiter wundern sich jetzt plötzlich. Denn die gucken auch nur, ob das Pferd den Kopf nett hinstellt. Aber nicht, was der Rest vom Körper macht. Hauptsache der Bollerschädel ist in „Anlehnung“. Falschen Knick erkennen dann schon 70% aller Reiter nicht mehr. Da gruselt es mich immer. Zumal die Anlehnung und Aufrichtung bei Pferden in unterschiedlichen Ausbildungsstadien auch eben unterschiedlich aussieht. Auch das wird nicht erkannt. Da wird sich beim Jungpferd beklagt, dass der nicht nen netten Kragen zu der kleinen Pommes macht, die man außerdem noch gerne hätte. Nein, der geht nett vorwärts/abwärts und sucht noch ein bisschen die Anlehnung an den Zügel. Aber danke, ein bisschen Mayo dazu?

Und dann gibt es ja noch Anatomie. Sehr enge Ganaschen zum Beispiel. Tja, dann geht das blöde Pony halt nicht durchs Genick. Vielleicht mal Ausbinder drauf? Ja, doch. Muss sein. Das will nur nicht. Dass das Pony sehr wohl in Anlehnung geht, das ist egal, es hält die Nase ja nicht so schön wie das Warmblut.

Zurück zum Todesstern. Die schwingt immer noch nicht. Oder sagen wir: Buckeln gilt nicht als schwingen, auch wenn sie das steif und fest behauptet. Steif ist überhaupt ein gutes Stichwort. Fallenlassen ist erst nach maximal 60 Minuten möglich. Für ein paar Runden. Aber da sagt meine Reitlehrerin plötzlich:
„Da, merkst du das?“
Ja, doch. Sitzen fällt plötzlich schwerer, weil die schwingt. Okay, sie paddelt dabei trotzdem.
„Durch den Zirkel wechseln. Schöne Biegung.“ Plötzlich hüpft auch meine Reitlehrerin wie ein HB Männchen. „Sooo!“ Und siehe da, der Todesstern stellt dann sogar mal nett den Kopf hin. Wie ist denn das nur passiert? Davor erschrickt sie sich dann glatt selbst und rennt erst mal pupsend durchs Hallentor, weil ich vor lauter schön reiten gar nichts mehr gemacht hab.

Foto: Braucht auch eine lange Anlaufzeit. Hat das aber immerhin auch die Hälfte seines Lebens nicht gemacht.