Der Reiter hat sehr hohe Ansprüche. An sich selbst, an seinen Stall, seinen Trainer, seinen Schmied, seinen Futtermittellieferanten, seinen Tierarzt, seine Osteopathin und an diverse andere Leute, die im direkten oder indirekten Kontakt mit dem Pferd stehen. Auch sonst überprüft er so ziemlich alles, was das Pferd bekommt, akribisch. Nicht nur seine Schibbi-Schabbis, auch Decken, Bandagen, Futterzusatzstoffe und das Stroh.
Während er selber … na, ich will nicht sagen, dass er auf der Strecke bleibt … aber doch schon so was in der Art. Glaubt ihr mir nicht? Ist aber so.

1) Das Pferd steht auf staub- und schimmelfreiem Stroh.
Der Reiter selbst wohnt in einer Wohnung, wo sich durchaus der Staub sammelt. Und er kündigt auch nicht sofort die Wohnung, wenn sich im Badezimmer mal Schimmel bildet. Der Stall wäre aber fristlos gekündigt!

2) Das Pferd hat teurere „Klamotten“ als der Reiter selbst.
Es muss schon eine schöne Schibbi-Schabbi sein. Am liebsten auch nach der neuesten Mode, respektive Kolli.
Der Reiter selbst shoppt mal eben schnell durch die Schnäppchen-T-Shirts bei New Yorker, H&M und ärgert sich nachher, wenn die Qualität schlecht ist.

3) Der Reiter kennt die Inhaltsstoffe seines Pferdefutters und das Pferd wird akkribisch auf Mängel untersucht, notfalls auch mit Blutprobe. Das darf ja keinen Mangel haben.
Er selbst zieht sich in der Mittagspause eine Currywurst am Wagen rein und hat keine Ahnung, was da drin war. Und was sind eigentlich Kalorien?

4) Der Reiter überwacht genauestens das Fressverhalten und das Gewicht des Pferdes, damit er dem immer etwas entgegenzusetzen hat.
Seine eigene Waage hat er dafür länger mal nicht gesehen. Und er isst, wenn er Hunger hat. Die eigenen Fresspausen und Futterzeiten werden ignoriert. Die sind dann, wenn Zeit ist.

5) Der Tierarzt ist auf Herz und Nieren geprüft und kommt auf Empfehlung. Natürlich auch für einen Schnupen.
Hat der Reiter einen Schnupfen, geht er zu dem Arzt, der den kürzesten Anreiseweg verspricht und Zeit hat. Der kann auch total mies sein, man kriegt ja eh nur ein grünes Rezept und fährt dann in den Stall, wo man in der Kälte auf den handverlesenen Tierarzt wartet. Muss doch noch geimpft werden.

6) Der Hufschmied muss dreihundert Zertifikate vorweisen und seinen Namen tanzen können, bevor er ans Pferd darf.
Der Reiter selbst nimmt aber die erstbesten Schuhe von Deichmann, die nett aussehen. Ach, macht doch nix, wenn die zehn Euro kosten. Hauptsache, man sieht gut aus.

7) Das Pferd ist krank und wird entsprechend betüddelt und nur ganz vorsichtig bewegt. Schonen heißt das Zauberwort.
Der Reiter selbst kennt das Wort „schonen“ nicht und tut es somit auch gar nicht erst. Nö, kann er ja auch gar nicht, er muss ja in den Stall. Daher trifft man Reiter grundsätzlich auch krank auf der Arbeit – weil sie ja anschließend in den Stall fahren.

8) Das Pferd darf deutlich mehr als die Mitmenschen. Bisschen sabbern, bisschen haaren, alles okay. Auch bei fremden Pferden.
Aber andere Leute dürfen den Reiter nicht ansabbern. Sie sagen „Ih“, wenn man sie mit Kaffee beschlabbert, sie haben keinen Bock auf Haare in ihrem Essen, und sie möchten bitte auch nicht, dass man ihnen auf die Füße tritt. Versteh die einer.

9) Das Pferd bekommt den besten Unterricht mit dem besten Trainer und Kurse werden auch noch besucht.
Während der Reiter selbst nicht ständig zu beruflichen Fortbildungen rennt, oder noch schnell eine AG in der Schule mitnimmt. Man muss sich ja nun nicht überarbeiten.

Foto: Bitte holen Sie uns rein, da ist ein komischer Ast auf der Weide. Mimimimi