Dieses Motto sollte man auf jeden Fall verinnerlicht haben, wenn man ein Pferd sein Eigen nennt. Denn nach einiger Zeit kristallisiert sich ja heraus: Was hat man so von seinem Pferd zu erwarten. Zum Beispiel, dass es vielleicht am Bauch kitzelig ist und dort nicht angefasst werden möchte. Oder, dass man mit seinem Pferd besser nicht so nah am Traktor vorbeigeht, weil es das nicht cool findet. Überhaupt, ein Reiter, der sein Pferd kennt, der sitzt einfach länger drauf, weil er die Gefahren, die das Pferd erkennen könnte, potenziell ebenfalls erkennt und sich dagegen schützen kann (und sei es durch den Klassiker: Dann reiten wir halt da nicht lang.)
Auch sonst kann man viele Sachen vorhersehen. Dass sein Pferd unruhig wird, wenn es zu lang aufs Futter warten muss, oder dass es nicht im Regen stehen mag und daher Unterschlupf suchen wird, dass es keine Fremden mag, oder dass es Fremde mag und man es gewaltsam wegziehen muss.
Aber: Sobald man all diese Macken kennt, fängt das fiese Pferd eine andere Nummer an. Ich nenne es: Selektive Macken. Oder Wechselmacken. Denn nur, weil das Pferd also jetzt keine Mähdrescher mag, muss das ja nicht immer gelten. Sondern nur manchmal. Da geht man also raus, sieht diesen Mähdrescher. Der plötzlich das Pferd aber gar nicht mehr interessiert. Dafür hat es einen Heidenschiss vor dem Stück Zaun, das dahinter anfängt. War schon immer da, hat sich noch nie bewegt. Der Zaun ist so ein Problem, dass das Pferd spontan fast mit dem Mähdrescher zusammenstößt.
Sollte der Reiter jetzt ganz wild sein, könnte er daraus schließen, dass also jetzt Mähdrescher kein Problem mehr sind. Falsch. Morgen ist der wieder schlimm. Heute nicht. Aus Gründen.
Zum Beispiel am Sonntag. Am Sonntag standen wir also vor dem Weidetor und wollten die Pferde animieren, da mal runterzukommen. Die standen ganz hinten und guckten alle, als wäre das ein großes Problem. Keiner wagte sich überhaupt in unsere Nähe. Was war es denn jetzt? Hingestapft, mein Pferd einkassiert, Pony 1 bewegt sich auch, Pony 2 nicht. Alle erstarrt, Pony 2 sogar zu schockiert, um mein Pferd anzustänkern. Unter Tröten und Prusten bekomme ich mein Pferd bis zum Gatter, wo er Augen groß wie Tannenzapfen macht und trötet und schnoddert, als gäbe es kein Morgen. Was sicher realistisch ist, denn am Samstag haben böse Bauarbeiter ein paar Steinplatten vor die Weide gelegt. Also gefühlt 10 Kilometer davor. Beim Rausbringen hat es alle drei noch nicht interessiert. Beim Reinholen sind die Steinplatten eine Katastrophe. Mit eingekniffenem Hintern und nicht ohne Trara sind die Pferde dann irgendwann drin. Mimimimi …
Ich hätte übrigens Stein und Bein geschworen, dass meinem Pferd die Platten am Allerwertesten vorbeigehen. Morgen tun sie das wahrscheinlich längst. Aber am Sonntag – am Sonntag waren die schlimm.
Vor lauter gucken haben wir dann aber vergessen, dass wir mit Fremdreitern nicht so gut können und haben uns einfach wie ein normales Pferd verhalten. Auch komisch …Hätte gedacht, wir müssen jetzt über jede Schenkelhilfe diskutieren, inklusive Schulpferdeschluff und Nervensägengepulle. Nein, nein, haben wir vergessen. Bis zum nächsten Mal wahrscheinlich, wenn mal wieder sich ein Fremdreiter in den Sattel verirrt. Dann finden wir das sicher wieder richtig schlimm.
Auch sonst hat man ja so Verhaltensweisen, dass man manche Dinge einfach übergeht. Manche Pferde können es gar nicht leiden, wenn die Trense nicht in einem Rutsch über den Ohren ist und spielen dann Giraffe. Wird bei Bedarf vergessen, bei Bedarf nachgeholt, wenn die Trense schon längst oben ist.
Oder es werden plötzlich Dinge gefressen, die man vorher nur mit Morddrohungen ins Pferd bekommen hat. Ich wundere mich mittlerweile auch gar nicht mehr über den Satz: „Das hat der aber noch nie gemacht.“ Denn ich weiß ja: Ich muss den auch öfter mal benutzen. Ist ja auch kein Wunder, wenn das Pferd spontan beschließt, heute Angst vor dem Waschplatz zu haben – so einmal im Jahr und sich nicht in seine Box traut und auch nicht wieder raus. Da muss nichts verändert sein, oder passiert.
Oder dass er sich bei drei Ausritten vor dem Mittagstisch Schild des hiesigen Italieners fürchtet, beim vierten Ausritt aber scheinbar aufmerksam liest. Vielleicht sagt ihm auch nur das Menü mehr zu.
Foto: Pissig. Schmied ist da.