Dann wäre ja das Leben auch viel einfacher. Ist’s aber nicht, denn Reiter sind unehrlich. Nicht so sehr zu anderen (aber auch) – vor allem sich selbst gegenüber sind Reiter überhaupt nicht ehrlich. Ich konfrontiere euch heute mal mit Aussagen, die wir alle irgendwann mal dahersprechen würden, wenn wir denn manchmal ehrlich zu uns wären. Aber natürlich kriegt man dann gar nicht mehr so viel Lob, so viel Liebe und so viel Fame in der Stallgasse. Das geht dann natürlich nicht. Trotzdem bin ich mir sicher, dass in jedem Reiterherz die folgenden Aussagen schlummern und mancher sie sogar schon mal geäußert hat, wenn er seinen “Dicke-Eier-Tag” hatte. Oder spontane geistige Umnachtung. Fangen wir an:
1. “Ich bin besser als die”
An sich eine nüchterne Erkenntnis. Das ist ja schließlich einfach nur ein Vergleich. Und natürlich wirkt man erst Mal “besser” als die Trulla, die da mit hochgezogenen Hacken auf dem Pferd rumjuxt und kaum aussitzen kann, wenn man selbst schon L-platziert ist. Ich bin auch besser als andere Leute. In manchen Bereichen. Und schlechter natürlich auch. Aber der Reiterknigge verlangt, dass die eigene Leistung entweder kleingeredet wird (damit andere kommen und sagen, dass man natürlich total toll reitet), oder aber die eigene Leistung als Streitargument hervorgeholt (in irgendeiner Diskussion) und benutzt: “Halt den Mund, ich reite L-Dressur und du nicht.” Yeah …
2. “Ich kann das nicht.”
Wird dem Reiter natürlich nie über die Lippen kommen. Selbst wenn da eine Horde Entführer sitzt, die ihm das Messer an den Hals pressen, so wird der Reiter ja immer noch behaupten: “Logisch weiß ich, wie man die Piaffe anreitet”. Auch wenn er es nicht weiß. In der Theorie wissen wir immer alles. Auch wenn wir noch nie davon gehört haben. Warum kann man nicht mal sagen: “Ich weiß nicht wie das geht?” oder: “Ich habe doch keine Ahnung?” Ich weiß bei der Hälfte aller Reithalfter schon nicht was die machen. Das kann doch nicht nur mir so gehen.
3. “Ich bin wirklich neidisch.”
Das darf man doch nicht sagen. Pssst Dabei kann man ja sogar neidisch sein und sich gleichzeitig für den anderen freuen – man wäre eben gerne an derselben Stelle, aber gleichzeitig kann ich trotzdem sagen: Wow, hast du ein Glück! Aber das geht nicht. Wir sind NIEMALS neidisch, primär ja deswegen nicht, weil das immer so das Totschlagargument für Reiter ist, wenn sie sich streiten. Also ist diese Empfindung natürlich nicht vorhanden. Es sei denn, dass wir mal kurz fünf Minuten ehrlich zueinander sind. Ich bin öfters mal neidisch. Primär auf Japaner. Die haben so schöne Rennpferde.
4. “Ich würde das auch gerne mal machen”
Das gilt nämlich vor allem für Sachen, die wir verteufeln. Wir verteufeln nämlich gerne Sportarten mit Pferden. Aber manchmal … ja, da möchten wir das eigentlich auch mal gerne ausprobieren. Natürlich nicht mit unserem Pferd, aber mit einem, dass das auch kann. Ich würde zum Beispiel mal gerne Polo spielen. Auch wenn das irgendwie etwas wüst aussieht. Überhaupt … ich würde wahrscheinlich alles mal gerne mitmachen, bevor ich mecker. Aber wenn die Norm vorschreibt: Ich muss drüber meckern, dann kann ich Reiterlein ja nicht sagen: Ich will aber mal Buzkashi spielen. Also lieber lügen.
5. “Mein Pferd ist gar nicht das Beste”
Das fällt unter die Kategorie: Keine Lust aufs eigene Pferd haben, nicht darin ein zweites Baby zu sehen, oder es nicht für das Allerschönste halten. Aber eigentlich wissen wir das schon manchmal. Gerade wenn mal alles schief läuft, dann kann man sich auch zutiefst enttäuscht vom Pferd fühlen (auch wenn es nichts dafür kann – macht es ja nicht absichtlich). Wir wissen das alles, aber hey: Es muss halt auch nicht immer das Beste Pferd sein. In allem. Wäre ja tragisch, wenn es nur noch Beste gäbe. Wie sollen dann die armen Turnierrichter platzieren? Ein objektiver Blick ist aber nicht okay – die Gesellschaft zwingt uns, unser Pferd mit Herzchenaugen zu sehen und das auch zu sagen. Wehe wenn nicht, dann sollte man dir das Pferd abnehmen.
6. “Ich hab das nur gekauft, weil es schick war.”
Gilt nur für Schabracken. Da darf man das sagen, weil Eskiii-Sammeln in der Gesellschaft als völlig okay angesehen wird. Alles andere hat aber einen Sinn zu haben. “Warum hast du Lammfellgamaschen?” – “Weiß nicht. … fand ich schick?” Geht nicht. Also ist der Reiter genötigt dumme Geschichten von empfindlichen Beinen zu erzählen. Oder er muss uns erklären, warum er Gummizügel hat. Oder Baumwollzügel. Oder eine Biothanetrense. Da müssen wir was von Allergie oder veganem Lebensstil erzählen, weil Stylinggründe niemals gelten dürfen. Das muss immer alles einen Sinn haben. Ich streichle jetzt wie Blofeld meine Lammfellgamaschen und rolle dabei mit meinem Bürostuhl herum. Die waren schön! So! Natürlich braucht die kein Schwein! Aber ich wollte sie haben.
Foto: Da geht er hin, der Sommer.