Gut, dass Pferde nicht wissen, wie groß und wie stark sie sind. Sonst müssten wir alle das Knie vor den neuen Pferdeherrschern beugen und ihnen huldigen. Heil, Pferd! Anschließend müssten wir ihnen mundgerechte Stücke garantiert ungesunder Kost reichen und ihnen die Schweifrübe kraulen.
Zum Glück wissen Pferde von dieser Zukunftsvision überhaupt nichts. Sie wissen auch nicht, dass sie kleine Nervgeister wie Kinder oder Hunde einfach am Kragen packen könnten und im nächsten Eimer ersäufen könnten. Gut für die Umwelt!

Mein Pferd weiß davon auch nichts. Der ist manchmal aber auch blöd wie zehn Meter Feldweg. Zum Beispiel, wenn die Elster da ist. Die Elster ist kein Kosename für ein diebisches Pferd, nein es ist eine echte Elster. Und sie wohnt im Holunder auf dem Paddock. Ihr kennt unser dichtes Holunderdach im Frühling sicher von einigen Fotos, der spendet Schatten und man kann sich sämtliche Unterstände sparen, darunter wird man nicht mal bei Platzregen nass. Toll also.

Leider wohnt in dem Holunder auch die Elster. Ich guckte also schon etwas irritiert, als die Pferde neben dem Holunder vor sich hinschmolzen, obwohl ihnen scheinbar sogar zum futtern zu warm war. Aber keiner traute sich unter das Dach. Habe das als: Spontan-Saunagang abgetan und mich nicht weiter darüber gewundert. Man muss ja nicht alles verstehen.
An einem sonnigen Sonntagabend, wenig später, war dann nur das Arschlochpferd auf dem Platz. Ich hatte gerade seine Box gemistet und wollte ihn wieder reinholen. In der Ferne höre ich die ganze Zeit einen Vogel zetern. Elstern machen übrigens keine schönen Geräusche.

Dachte, das wäre die Katze Schuld. Aber nein – es ist mein Pferd, das vor dem Holunder steht, als hätte es Hufrehe (weil es sich zwar nah rantraut, aber nicht SO nah) und mit der Nase im Gestrüpp hängt. Über ihm flattert die Elster und beschimpft ihn wüst. Ich weiß nicht, seit wann Pferde evolutionstechnisch unter die Eierdiebe gegangen sind, aber sie hält ihn für einen. Und so grobmotorisch wie der ist, kann ich verstehen, dass sie ihn nicht am Nest haben will. Das ist sowieso eigentlich nicht auf Kopfhöhe für ihn. Nur, wenn man auf die Begrenzung steigt und Giraffe spielt – dann ja.

Könnt dreimal raten, was mein doofes Pferd macht: „Lass mich gucken, was hast du da?“
Die Elster flattert um seinen Kopf herum, stößt sogar auf ihn herab, sodass er brummelnd davontrabt.
Ich hole Popcorn und setze mich auf die Platzbegrenzung. Kann ja heiter werden.
Unschlüssig steht das Pferd da: „Ich will da jetzt aber reingucken. Vielleicht ist es lecker!“
Die Elster hat von ihm abgelassen und beäugt ihn irgendwo. Pferd vergisst spontan, was vor einer Minute passiert ist und tröddelt wieder unter das Holunderdach und will ins Nest reinlunsen. Dafür steigt er glatt auf den Balken.

Die Elster rastet aus, die beschimpft ihn und flattert vor seinem Kopf umher, bis er ängstlich das Weite sucht und neben mir stehen bleibt: „Frauchen, ich will da reingucken, aber der doofe Vogel lässt mich nicht!“
„Hilf dir selbst“, sag ich und wedle ihn weg. Wenn du reingucken willst, musst du es auch selber machen. Kann mir auch gar nicht vorstellen, dass die da Eier hat, das ist doch viel zu spät im Jahr. Wahrscheinlich hat sie gar nichts und möchte nur den Holunder für sich.
Das Pferd trollt sich und geht lieber noch mal gucken, was die Elster da nun genau hat. Denn er hat natürlich schon wieder vergessen, was dieser Vogel gleich tun wird. Dasselbe wie bei den letzten fünfzig Versuchen, sie flattert auf ihn zu, scheucht ihn sogar dieses Mal hartnäckig über den Platz, sodass er mit eingekniffenem Hintern heulend davonrennt.

Ich glaube, ich miete mir die Elster. Ich brauche NIE wieder Sorgen haben, dass sich das Pferd zu wenig bewegt.

Foto: Leider ist die Elster im Winter nie da. Schade aber auch.