Ich bin manchmal erstaunt, wie wenig Reiter ein Pferd beurteilen können. Das ist wirklich faszinierend. So steigt zum Beispiel das Lob potenziell, wenn schönes Equip wie Schibbi-Schabbis im Spiel sind. Damit wird ein schlecht gerittenes Pferd gleich deutlich besser, bzw. alle Unzulänglichkeiten gleich wieder gutgemacht. Warum? Vielleicht weil es farblich irritiert und von krummen Pferden und falschem Knick ablenkt.
Nun denn … Lasset die Spiele beginnen. Gehen wir mal Reit und Longierfotos gucken. Ah, hier zum Beispiel. Eine Teilblondierte mit knallegrünen Bandagen und dazu passender Schibbi-Schabbi. Außerdem im falschen Knick und der Hals hat auch ein gewaltiges Problem mit der Bemuskelung, er wirkt nämlich eckig. Hinzu kommt außerdem eine interessante Art der Biegung im Galopp. Gut, vielleicht ist da noch jemand mit Jungpferd oder Korrekturpferd dran. Nein, Halt! Was steht da drunter? “Nächsten Sonntag meine erste A-Dressur.”
Damit? Echt jetzt?
Und die Meute klatscht und gibt noch Tipps, welche Schibbi-Schabbi denn mit aufs Turnier soll.
Dann wiederum wird es mit langweiligem Equipment auch viel schneller hässlich. Denn was man hier sieht: Pferd eindeutig in Remontenhaltung, noch nicht sonderlich locker, Reiterin im Entlastungssitz mit: “Es wird” untertitelt. Weiß man ja nicht, wie es vorher war.
Da wird plötzlich der Affenfelsen wach und es hagelt “Kritik”: Wie man denn so reiten könnte, wieso das Pferd so kacke aussieht, was soll da werden? Da sieht alles nur scheiße aus, bla, bla, bla. Eine knalligere Schibbi-Schabbi wäre schöner gewesen – die Kommentare übrigens auch.
Aber auch Longierfotos sind immer gut. Ein halbes Pferd ist zu sehen, hat die Nase irgendwo und man sieht noch gerade ein wenig Schulter. Das Bild möchte uns wohl auch gar nichts fragen, sondern eher: “Was macht ihr heute noch so?” sein.
“Dein Pferd latscht ja nur blöd auf der Vorhand.” Na, um das zu beurteilen muss man auch den Rest vom Pferd irgendwo sehen. Sonst kann man ja gar nicht sehen, was es mit der Hinterhand macht, um das zu beurteilen können.
Außerdem versuchen Leute einem auch ständig was zu erklären. Gerne am eigenen Bild: “Dein Pferd macht Taktfehler.” Mein Bild? Na, mein Pferd in der Schwebephase des Trabs. Also in allen Ehren … wo sieht man jetzt den Taktfehler? Bei einem Standbild. Außerdem hat der Unterhals. Ja, haben alle Pferde. “Nein, der ist angespannt.” Na, irgendwas muss er damit ja machen. Sonst gibt’s Spaghettihals. Einen deutlich hervorstehenden und angespannten Unterhals kann ich allerdings auf dem Foto nicht erkennen. Wie auch … der geht gerade schön vorwärts abwärts. Ausnahmsweise mal.
Außerdem sind per se ja alle Pferde zu dünn, oder zu fett. Grundsätzlich sind Pferde im Winterpelz immer fett, weil: “Kann ja nicht alles nur Fell sein.” Pferde im Sommerfell dann eher zu dünn, wenn es nicht rollt und der Hals nur dadurch gut wirkt, dass er vor lauter Fettschwabbel dicker erscheint. Es ist schon spannend. Haben die alle noch nie gesehen, wie etwas aussehen sollte im Idealfall? Basispass? Pferdebuch? IRGENDWAS?
Zum Beispiel mein Pferd. Der sieht nicht so wie das ideale Pferd aus. Der hat immer Baustellen, an denen ich arbeiten muss. Momentan gefällt er mir muskulär in der Oberlinie nicht. Also muss ich sein Training anpassen. Immerhin weiß ich das.
Andere wissen weder, wie ihr Pferd eigentlich dasteht, noch wie es sein sollte. Hauptsache, wir juxen durchs Gelände. Gymnastik ist doof und anstrengend und außerdem was für kleine Mädchen in der Reitschule. Aber Halsringgalopp im Stoppelfeld ist der Shit.
Manchmal möchte ich den Leuten dann was von Exterieur und Muskelpartien erzählen. Aber die haben bessere Ideen. Zum Beispiel: Kann man nicht einfach was füttern? Genau, da füttert man einfach was und der atrophierte Trapezmuskel kommt ganz von selber wieder. Sattel muss man dann auch nicht mehr checken lassen: Yay!
Hals kriegt man davon auch. Also mehr. Und eine schönere Hinterhand. Ich brauche dieses Wunderzeug. Dann brauch ich mir NIE wieder einen abbrechen, wenn mir mein Pferd, so wie jetzt gerade, nicht so gut gefällt. Einfach füttern und wohlfühlen.
Foto: Rumlümmeln.