Wo man hinhört, haben alle Leute ständig ein “Verlasspferd.” Aber was ist das eigentlich? Laut Definition eine unheimliche Maschine, die immer nur ganz lieb ist, nie durchgeht, sich alles gefallen lässt und niemals nimmernicht gemein sein würde. Eben so, wie man das gerne hätte. Wer will denn schon vom Pferd fallen, oder das durchgehende Ungeheuer am nächsten Baum bremsen?
Und ja – es gibt Kandidaten die hat man wirklich noch nie buckeln, durchgehen oder zicken sehen. Das heißt aber nicht, dass es Verlasspferde sind. Ich meine, man kann sich ja nicht mal auf seine Versicherung verlassen. Die finden auch Möglichkeiten sich aus Verantwortlichkeiten herauszuwieseln. Und da hat man einen Schwarzweißdruck auf Papier. Das hat man beim Pferd gar nicht. Wer denkt, man kann sich immer auf ein Pferd verlassen, ist naiv. Man kann sich immer genau so lang darauf verlassen, wie es eben funktioniert. Und trotzdem kommt irgendwann Tag X.
Es gibt also wirklich nette Pferde, die einfach kaum etwas krumm nehmen. Die nicht einfach davonbüffeln, oder dir sagen: Ey, lass das, ich will das nicht. Die vom Gemüt her eher so sind: “Das ist mir jetzt zwar unangenehm, aber es wird schon vorbeigehen.” Auch diese Kandidaten können austicken. Habe ich mal bei einem ganz netten Kinderpony erlebt. Niemand hat gesehen, dass das Pferd einen Stich direkt unter der Lage des Halfters hatte. Knapp hinterm Ohr. Als ein Kind also am Strick zog, weil das Pony stehenbleiben sollte, ist das Pony plötzlich gestiegen und hat wirklich ernsthaft um sich geschlagen, weil es dachte, das Kind wäre Schuld. Bevor dann aber jemand das gemeingefährliche Pony zum Metzger bringen musste, fiel dann doch noch auf, dass das arme Kerlchen eine munter eiternde Wunde am Kopf hatte. Das fiel nur nicht so auf, weil da sehr viele Haare drüber waren, denn das Pony trug Vokuhila.
Genauso habe ich aber auch schon erlebt, dass “absolute Verlasspferde” durchgegangen sind, ganz ohne körperlichen Grund. Weil sie sich vielleicht wirklich nicht mehr anders zu helfen mussten, ihnen etwas wirklich Angst gemacht hat, oder weil ein paar Synpasen geklappert haben. Ist ja schließlich keine Maschine (falls doch … wow, besser als im Phantasialand in der Geister Rikscha).
Das passiert halt einfach, wenn man mit Tieren arbeitet. Man kann sich mit ihnen sicher fühlen, ihnen bestimmt auch auf eine Art “vertrauen”. Aber niemals ganz.
Denn ganz davon abgesehen, dass das Pferd auch einfach mal entscheiden kann, nicht zu kooperieren, ist da ja noch die andere Variante, die unsere Vertrauensheinis gerne vergessen:
Das Pferd kann ja auch mal straucheln oder stolpern. Es kann Equipment kaputtgehen und der Reiter kann auch einfach an akutem menschlichen Versagen leiden. Und dann liegt man trotzdem unten. Egal wie sehr “Verlasspferd” der Zosse war.
Ich kenne Leute mit gebrochenen Fingern (menschliches Versagen, weil dumm den Strick um Finger gewickelt – aber Pferd war ja immer so lieb!), Leute mit nem gebrochenen Fuß (aus dem Sattel gerutscht, als das Pferd in Zeitlupe vor einem Kreuz parkte und NICHTS dabei anderes tat als stehenzubleiben), Leute mit ner gebrochenen Rippe (dem Pferd vor die Hufe gefallen), Leute mit nem gebrochenen Arm (Pferd ist über die eigenen Beine gefallen) und so weiter und so fort. Verabschiedet euch von dem Gedanken, dass euch ja nichts passieren kann, nur weil euer Pferd ein “Verlasspferd” ist. Es kann immer etwas passieren. Und das Risiko zu minimieren – das ist unsere Aufgabe. Die können wir nicht auf das Pferd und seine Verlässlichkeit abwälzen.
Ich habe übrigens auch ein Verlasspferd. Wenn man sich auf den verlässt, ist man verlassen. Vor allem, wenn man sich darauf verlässt, dass er den Weg zurück weiß. Da ist ein 3000 Jahre altes Navi, das keine der Straßen, die du reitest, kennt, noch zuverlässiger als mein Orientierungshirni. Kurz vor dem Tor merkt er: “Oh! Ich bin ja fast zu Hause! Wühühühühü!”
Foto: Moppel on Tour