Der Dressurreiter hat es nicht leicht. Denn er ist kein Freizeitreiter und macht es auch wie die Veganer: Er sagt es jedem. Denn er möchte ja nicht mit denen in einen Topf geworfen werden.
Er weiß außerdem, dass Freizeitreiter ihr Pferd nicht gymnastizieren können und nie den Tierarzt holen. Deswegen betont er seine Andersartigkeit sehr gerne. Denn es darf nicht zu Verwechslungen kommen.
Ansonsten ist der Dressurreiter ein umgänglicher Kamerad, solange er genug Schibbi-Schabbis hat, oder sein Turnieroutfit steht. Oder während er gerade eine Reitstunde bekommt. Da sind die auch still. Danach nicht, denn sie erfreuen uns mit Videos, Fotos und langen Berichten von ihren Kursen und Reitstunden.
Der Dressurreiter ist ein Paradiesvogel und wagt auch mal Mut zur Hässlichkeit mit der neuesten Eskiii Kolli, zu der dann tatsächlich aus irgendwelchen Gründen sogar sein Jackett passt. Wie auch immer er das schafft. Sein Pferd ist ebenfalls darauf abgestimmt und er kennt sich mit Farben aus. Und im Zweifelsfall behauptet er, dass die unpassenden Farben miteinander spielen und harmonieren.
Was der Reitlehrer sagt ist Gesetz. Und wenn der sagt: Vor dem Reiten werden vorher noch ein Walzer und drei Sambas mit Pferd getanzt, dann ist das so. Er gibt das Wissen auch gerne weiter und wird sehr wadenbeißerig, wenn jemand den Lehren des Reitlehrers widerspricht. Das mag er nicht.
Draußen findet man ihn eher selten, und wenn, dann nur, um dem Pferd den nächsten Turnierplatz zu zeigen. Damit es abgehärtet ist, wenn die Veranstalter mal wieder die absurde Idee hat, die Dressur draußen abzuhalten.
Im Rudel ist er mäßig anstrengend, denn er vergleicht gerne Papiere und ist auch grenzwertig zickig (und Männlein sind da keine Ausnahme). Mitfreuen für andere ist jedenfalls nicht so seins, es sei denn, er selbst nimmt nicht Teil, dann freut er sich. Einfaches Prinzip.
Ist er mit Problemen konfrontiert, ist er dafür auch sofort überfordert, denn er hat seinen TT, auf den er sich komplett verlässt. Deswegen fühlt er sich wohl auch so schnell verlassen, wenn der TT mal so unverschämt ist, sich bei den Sanitätern ein Pflaster zu holen, oder aufs Klo geht.
Dafür ist er aber ein wandelndes Lexikon, wenn es darum geht, was erlaubt ist und was nicht. Das kann man ihm getrost glauben.
Will man wissen, welches Gebiss und welcher Zaum erlaubt sind: Einfach einen Dressurreiter fragen, die wissen das (im Gegensatz zu den Springreitern, die gerne hilflos dastehen und dann noch schnell Google vor der Prüfung bemühen müssen).
Ein großer Teil der Lebenszeit des Dressurreiters geht also mit üben drauf. Der andere große Teil mit beschweren. So findet man heimlich gefilmte Videos in Gruppen, wo Dressurreiter fragen: Wieso hat die so hohe Noten. Oder sie beklagen sich noch auf dem Turnierplatz über die unfairen Richter, die ja nur nach Papieren und Nasen gucken. Auch wenn vorher die eigenen Papiere noch so Top waren.
Gegen schlechtes Reiten sind Dressurreiter auch allergisch. Sofern von Andersreitenden praktiziert erst Recht, aber grundsätzlich reitet sowieso alles schlecht, was so im eigenen Umfeld ist und mal irgendwann unter: „Mag ich nicht“ abgestempelt wurde. Denn schönes Reiten ist beim Dressurreiter subjektiv.
Foto: Nicht jammern, die anderen Reiter kommen auch noch dran. Das muss so sitzen, oder?