„Wir haben ja sooooo eine super Bindung – ich bin die einzige, die ihn reiten kann, bla, bla, bla …“ Na? So, oder so ähnlich habt ihr das doch bestimmt alle schon mal gehört. Im Reitforum fragt man bei solchen Satzanfängen traditionell: „Sind schon wieder Ferien?“ Auf Facebook fragt man: „Wendy?“
Wendy trifft den Kern prinzipiell schon richtig, denn wer sich an Miss Dixie, ihren Pinto erinnert, weiß, dass nur Wendy die reiten konnte, weil Wendy nämlich toll ist. Alle anderen Leute wurden abgebuckelt und gebissen, Wendy geliebt.
Auch ich habe mir lange Zeit eingebildet, ich wäre etwas ganz Besonderes, nur weil ich mit dem Todesstern klarkam. Heute weiß ich aber – ich hatte nur mehr Ausdauer als die anderen, denn ich betrachte mir mittlerweile die Sachen einfach realistischer. Mein eigenes Pferd zieht mich auch allen Leuten vor – verweigert aber den Dienst mit Fremden. Warum? Ist halt nicht von der kooperativen Sorte. Und warum bin ich so super duper speschiöl? Weil ich ihn schon lange genug habe. Es ist eine Zeitfrage und eine Arbeitsfrage. Das kann jeder erreichen, sofern beidseitige Sympathie vorhanden ist.
Mein Todesstern war also kein Fury – und ich keine Wendy. Sondern nur ein Pferd, das an mich gewöhnt war und mit mir gut arbeiten konnte und wollte. Dafür habe ich aber genau das durchgemacht, was jeder Fremde auch machen musste (sich ansteigen lassen, sich beißen und treten lassen, sich abbuckeln lassen, usw.) Bin nur dran geblieben.
Manche Pferd und Reiterpaare haben wirklich eine sehr innige Bindung – aber die kommt nicht von ungefähr und ich bin nicht so unrealistisch, dass ich nicht weiß, dass es durch harte Arbeit kommt. Bei den einen klappt es schneller, bei den anderen weniger schnell.
Aber manch einer erzählt uns ja sonst was. Die einzige Person, die das Pferd reiten kann. Wie lange haben es die anderen versucht? Fünf Minuten? Hui! Das ist ja eine Ewigkeit, wenn man die Aufmerksamkeitsspanne eines Eichhörnchens auf Koks hat. Es sind immer arme, geschundene Seelen, die nur endlich genug Vertrauen brauchen und das bringt natürlich die geneigte Wendy (oder das Kind mit Ferien) immer mit. Auch andere glauben den Unsinn – wenn sie keine Ahnung von Pferden haben.
Schaut man sich das real an, wird das schnell ernüchternd. Ein Beispiel gefällig? Nein? Mir doch egal!
„Meine Tochter ist ja so super einfühlsam, sie hat jetzt einen Kurs über Pferdesprache gemacht und seitdem kommt sie mit dem Pferd ja viel besser klar. Das vertraut ihr richtig.“
Dieses Gespräch schnappte ich auf der Straße auf. Auf der Straße vor dem Stall. Die Mutter des besagten Wunderkinds hatte gerade ihren Sprössling im Stall abgesetzt und quatschte noch kurz mit einem anderen Muttchen.
Oh, holla, dieses Wunderkind musste ich mir ansehen. Ich kannte beide, die wohnten nämlich in der Nähe. Und ich wusste auch, von welchem Pferd Mutti sprach: Vom Todesstern. Das holde Töchterlein war nämlich ganz heiß auf die Stute. So weit … so nicht gut – den der Todesstern wollte die Sympathien so GAR nicht erwidern. Also so wirklich gar nicht. So doll gar nicht, dass meine Reitlehrerin ihr die Stute auch nicht mehr gab, denn das ging zu oft daneben.
Irgendwie hat sie sich die dann an diesem Tag doch erquengelt (wir erinnern uns – erquengeln geht nie gut.)
Ich erhasche nur einen kurzen Blick in die Halle, aber da läuft bereits die große Todesstern-Show. Ende vom Lied – heulendes Pferdeflüstererkind und Abbruch ihrer Reitstunde. Und dann noch die Schmach, dass man mir die in die Hand drückte mit den Worten: „Reite du die mal noch 20 Minuten nett.“
Oh, böser Fehler. Pferdeflüstererkind und Mutti sahen mich von dem Tag an böse an. Sehr böse.
Habe mal nix über die Pferdeflüstererqualitäten der Tochter verlauten lassen, als ich ein paar Tage später dann folgendes Zitat mitbekam:
„Ja, die geht ja jetzt auch ganz anders auf das Pferd zu, das merkt direkt, wer dann Chef ist und benimmt sich auch ganz anders. Das sieht man sofort!“
Moment, war das der Vorfall, wo heulendes Kind ohne Todesstern am Putzplatz ankam, weil die einem imaginären Ruf Richtung Koppel gefolgt ist? Ja, da hat der Todesstern sicher gemerkt, wer hier Chef ist.
Foto: Ich habe keine Ahnung, wer dieses fremde Pferd ist und warum ich Bodenarbeit mache, aber das bin definitiv ich … vor 13 Jahren oder so. Keine Ahnung wo, keine Ahnung wieso. Alzheimer fatal.