Die moderne Reiterei ist etwas Eigenartiges. Sicher, wir profitieren alle von den neuesten Erkenntnissen, wissenschaftlichen Theorien und können auf die neuesten, ergonomischen Hilfsmittel zurückgreifen. Und das hilft sicherlich auch Pferden. Aber leider wird das ganze auch ad absurdum geführt. Nicht nur im Turniersport. Sondern von den Reitern selber, die das ganze zelebrieren wie eine Messe im Dom.
Es ist Mode, alles zu hinterfragen. Wirklich alles. Wenn man sich nicht fragt, warum das Pferd heute beim Putzen komisch geschaut hat, dann muss da etwas passieren. Man muss es auch auf jeden Fall in jeder Gruppe besprechen, am besten direkt den Tierarzt holen. Ach, mehr noch, diverse Leute, denn der Tierarzt alleine reicht ja heute schon nicht mehr.
Auch sehe ich Menschen, die es teilweise aufgrund dieser ewigen 200 Theorien im Kopf es nicht einmal mehr schaffen, alleine und selbstständig auf ihr Pferd zu reagieren.
Das ist kein Witz.
Ein Pony kommt seiner Besitzerin zu nah. Sie möchte eigentlich ihren Platz nicht aufgeben. Das Pony wird frech und kommt giftend und drohend ganz nah.
Die Besitzerin hat nun die Wahl: Sie kann mal drohend die Stimme und eine Hand heben und ihr Pony zurückschicken. Sie kann es aber auch schamanisch betanzen. Oder einen Ultraschall machen, denn solches Verhalten hat einen Grund. Oder sie kann mit ihm einen Beruhigungstee trinken. Oder ein Pendel rausholen und es ihm um die Ohren hauen. Oder es positiv bestärken.
Nur: Wie soll man sich denn hier entscheiden, wenn einem ständig alle Leute die Ohren vollheulen, wie man es denn auf jeden Fall zu machen hat. Und damit meine ich nicht die Leute, die sagen, sie finden was nicht gut. Sondern die große Gruppe der Reiter, die meinen, nur ihr Weg sei der Richtige. Und sie schreien ihn ungefiltert in die Welt hinaus.
Wer nicht mitmacht, ist automatisch rückständig oder ein Tierquäler. Wo wir gerade bei Tierquäler sind: Arbeit ist für ein Pferd auch immer Quälerei. Sobald ein Pferd eine konkrete Beschäftigung hat, die über ein gewisses Maß hinaus geht, ist es immer das arme Pferd, kein Partner mehr. Ich weiß nicht … bin ich die einzige, die sagt, ihr Pferd ist ihr Arbeitskollege? Also die Pferde auf der Arbeit waren das immer. Wenn sie einem Beruf nachgehen, dann sind sie das nun mal. Ich kann doch meine Arbeitskollegen mögen?
Früher war das nicht so. Da durfte ein Pferd auf dem Acker arbeiten oder Bäume rücken, ohne dass 300 Pferdegörlz gebrüllt haben: „Ach, das arme Tier, guck doch mal die Augen.“ Und wir reden hier nicht von abgemagerten rumänischen Kleppern mit Ringelhufen, sondern von gepflegten Kalten, die Bäume rücken. Oder Rennpferden. Oder Schulpferden – ja, die haben auch einen Beruf.
Wir können also weder ungestört mit unseren Pferden arbeiten, noch können die Pferde arbeiten. Sie werden ja ständig unterbrochen. Von überempfindlichen Besitzern, tausend nervtötenden Stimmen, hundert Reitweisenwechseln und einem ganzen Chor aus Jammerlappen. Und Reiter sind daran auch noch selbst Schuld. Ich meine, warum fragen sie 30.000 Leute, um zu wissen, wie sie reagieren sollen, wenn das Pony mal giftet? Kein Wunder, dass man da bekloppt wird.
Ich frage mich manchmal, warum es unmodern mit der heutigen Reiterei geworden ist, sich selber zu helfen. Warum müssen immer 3000 Menschen zur Rate gezogen werden, um das Pferd endlich durch die Ecke zu reiten. Denn wir reden hier nicht von wirklich schwerwiegenden Problemen. Sondern so Sachen wie: Das Pferd macht den Kopf hoch beim trensen. Oder: Es geht manchmal los beim Aufsteigen.
Man kann nicht alles wissen. Aber selbst probieren könnte man doch mal. Fängt ja schon bei diverse Fragestellungen an: „Darf ich ein einer E-Dressur dies und jenes?“
Zum googlen sind sie echt alle zu faul geworden …
Foto: Bleibt auch manchmal nicht stehen beim Aufsteigen. Schade.