Ich weiß nicht genau, warum man diese Definition von Nichtreitern immer zu hören bekommt, aber irgendwie ist man halt irgendwann „die mit dem Pferd“. So erklären Bekannte, Familie und Freunde den Reiter in ihrem Freundes und Bekanntenkreis. Grob geht es nämlich irgendwann mal um Pferde und dann heißt es: „Ach, meine Freundin hat auch ein Pferd.“
Und wenn es dann noch mal um die Freundin geht heißt es: „Na, du weißt schon, die mit dem Pferd.“

So also funktioniert das. Irgendwie kenne ich das nicht so als Charaktermerkmal oder Beschreibungsmerkmal bei anderen Sachen. Ich sag ja auch nicht, „Die mit der Katze.“ Oder: „Die mit dem Ehemann“ … oder „Die mit dem Kind?“
Ich weiß nicht. Bei manchen Leuten in meinem Bekanntenkreis, gerade bei Arbeitskollegen, weiß ich nicht, wie deren Familienstand ist, wie viel Kinder die haben, oder ob die eine Katze haben. All meine Arbeitskollegen wissen aber andersrum, dass ich „die mit dem Pferd“ bin. Nicht, weil ICH denen das gesagt habe, sondern weil das sich so rumspricht.

Denn ein Pferd zu haben ist immer noch etwas ganz Besonderes. Auch wenn viele Nichtreiter ein Augenrollen gratis zu der Erklärung: „Die mit dem Pferd“ abliefern. Warum auch immer. Ich find jetzt Fußball auch nicht so pralle, aber von mir wird man auch nie hören: „Der, der Fußball mag“ – *Augenroll*. Was ist denn das für eine blöde Definition?
Okay, prozentual gibt es wohl weniger Leute mit Pferd als Fußballfans. Aber warum das immer ein Charakterisierungsmerkmal ist, weiß ich nicht. Ich meine, es gibt sicherlich Leute mit außergewöhnlicheren Hobbys als Reiten. Sagt ja auch keiner: „Die, die immer Origami faltet.“ Oder: „Der, der Schmetterlinge sammelt.“

Es ist ein guter Anlass um Smalltalk zu halten. Wahrscheinlich kommt das deswegen immer wieder aufs Brot. Weil Nichtreiter grundsätzlich davon ausgehen, dass Reiter nicht mit Nichtreitern kommunizieren wollen, aber wenn sie mal fragen: „Wie geht es denn dem Pferd?“, dann sind sie auf sicherem Terrain. Obwohl ich denen vielleicht gerade was vom neuen Star Wars Teil erzählt habe, den ich vor Kurzem gesehen habe. Sie fragen ja auch nicht wirklich, weil sie was wissen wollen.
Hundebesitzer werden das seltener gefragt. Ich frage Hundebesitzer zum Beispiel auch nur dann nach dem Befinden der Hunde, wenn ich weiß, dass die krank waren oder sind.

Irgendetwas sitzt im menschlichen Hirn und sagt: Ah, ein Reiter. Ja, also da muss man vorwarnen, definieren und es Leuten mitteilen. Vielleicht brauchen wir einfach so ein Erkennungszeichen. Damit die anderen nicht immer sagen müssen: „Die mit dem Pferd.“
Besonders kurios ist es dann, wenn man auf irgendwelchen Partys ist und Leute zu einem geführt werden: „Die Julia mag auch Pferde!“ Ach, so … darf ich mich dann nur noch mit der Julia unterhalten? Weil die als Kind dreimal aufm Ponyhof war? Die da hinten reden über Zombies. Das finde ich jetzt ehrlich gesagt interessanter, als der Julia zuzuhören, wie die von dem süßen Pony erzählt, dass sie als Kleinkind geritten ist.

Auch in der Verwandtschaft ist das Thema immer mal wieder da. Job gewechselt, neue Wohnung … „Aber reiten tust du noch, oder?“ Ja. Ach, so … Erleichterung. Wenigstens ein Thema ist geblieben, nach dem man immer noch zielsicher fragen kann, damit ein wenig Smalltalk entsteht.
Ganz kurios ist es, wenn es das einzige Charaktermerkmal bleibt, das nicht ins Nirvana des Alzheimeruniversums verschwindet.
Meine äußerst demente Oma mochte mich zwar auf dem Flur nicht gleich erkennen können zu Lebzeiten. Ein Automatismus flüsterte ihr aber dann doch irgendwie noch zu: „Aber reiten tust du noch gerne, oder Kind?“
Na, klar. Beruflich, Wohnort, Telefonnummer, alles weg. Aber das Pferd ist irgendwie noch da. Bis zum bitteren Ende.
Auch meine andere Oma ist mittlerweile dement. Nach dem Pferd fragt sie aber trotzdem. Ungefähr zehn Mal in einem Gespräch. Da stört es mich dann auch nicht mehr. Wenn es das ist, was in ihrem Kopf mit mir verknüpft ist, dann hoffe ich, dass diese Synapsen so hartnäckig sind wie bei allen Menschen auch. „Die mit dem Pferd, die kenn ich.“

Foto: Umgefallen – niemand hilft ihm. Tragisch. Foto von Morwen Fotografie