Reiter haben ein Problem. Sie können nicht zu Hause hocken und gesund werden. Wirklich nicht. Vielleicht können sie es gerade noch so, wenn sie einfach Grippe haben und trotzdem in den Stall gehen. Oder irgendwelche anderen, nicht pferdebezogenen Krankheiten.
Aber wenn der Reiter vom Pferd fällt und sich verletzt, dann ist seine erste Amtshanldung, sobald er auch nur ansatzweise wieder klar im Kopf ist, in den Stall zu fahren.

Vielleicht ist das auch des Reiters Geheimnis, weswegen er sich selbst von zerschmetterten Rippen nicht davon abhalten lässt, wieder aufs Pferd zu steigen. Vielleicht ist er auch nur sehr doof und nicht lernfähig. Weiß man nicht.
Ich selbst bin da auch keine Ausnahme. Als man mich gerade frisch aus dem Krankenhaus entlassen hatte (Weihnachten! Ja, ich hab das richtig drauf mit guten Terminen), quengelte ich also meine Mutter an, dass die mich doch bitte in den Stall fährt. Nö! Zurecht. Ich konnte keinen Schritt gehen, sah aus wie eine Leiche und hatte ein Knie, das so dick war wie der Kopf des Todessterns.

Also wartete ich, bis meine Mutter weg war (noch schnell was holen) und telefonierte – irgendwer mit Auto. Ein Freund fuhr mich also hin. Trug mich ins Auto (ich hatte zwar Krücken, aber an Gehen damit war nicht zu denken) – und ich war im Stall.
Wo meine Reitlehrerin mich unter ziemlicher Schelte wieder nach Hause schicken wollte. Aber nö! Erst, wenn ich den Todesstern gesehen habe. Also hievte man mich mit drei Mann vor die Box und ich konnte einmal Nase streicheln.
Auch als ich das Knie nicht knicken konnte, aber schon ein bisschen vorwärts kam mit den Krücken, war ich permanent im Stall. Und wenns nur doof an der Bande sitzen und gucken ist. Muss ja sehen, wie der Todesstern jetzt geritten wird.

Irgendwie ist es also Reitern ein Bedürfnis, dieses Pferd, das für den Krankenhausaufenthalt verantwortlich ist, zu besuchen. Ihm zu versichern, dass man ihm nicht böse ist und dass man noch da ist. Danach geht es uns deutlich besser. Warum? Weiß man nicht.
So wie Reiter ja auch selbst mit den übelsten Verletzungen noch fragen: „Aber dem Pferd geht es gut, ne?“
Auch völlig egal, wessen Pferd das ist. Der Reiter ist sich bewusst, dass er verantwortlich war, er saß schließlich drauf. Und niemand verzeiht es sich, wenn der Schützling dabei Schaden nimmt.

Setzt nun ein wenig die Genesung ein, ist der Reiter der Meinung, dass er seine Arbeit im Stall wieder aufnehmen muss. Man kann nicht laufen? Ja, aber Sachen halten kann man doch schon. Oder putzen. Dafür muss man ja nicht besonders rumlaufen.
Dass sie nicht reiten dürfen, das setzt sich zum Glück noch im Hirn fest. Aber Pferde mit Krücken auf die Weide bringen, beim Tierarzt mit Schulterverletzung festhalten, mit angeknacksten Rippen ein festgelegtes Pferd befreien, mit Gehirnerschütterung longieren oder mit gerissenem Schleimbeutel auch noch Heu abladen – ach, das geht schon.

Der Reiter ist nicht gerne verwundbar und wird auch nicht gerne daran erinnert, dass sein Hobby immer noch gefährlich ist, egal wie viele Protektoren er einsetzt. Das ist wohl einer der vielen Gründe, weshalb man den Reiter niemals dazu bringen kann, dem Stall während seiner Genesung zu entsagen. Vielleicht, weil es zur Genesung dazu gehört.

Foto: Gute Nacht.