Reiter haben ein ganz großes Schubladenproblem. Sie wohnen gerne darin und möchten bloß nicht rauskommen, weil ihre eigene Schublade für jede Lösung ein Problem hat. Das Pferd geht nicht anständig den Zirkel? Ja, dann machen wir hier dies. Das Pferd galoppiert nicht an – dann machen wir das. Nur – was, wenn die Lösung in der eigenen Schublade einfach nicht fürs Pferd funktioniert? Dann hat man jetzt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Man lässt es, oder man guckt mal, was in den anderen Schubladen so los ist. Viele Reiter wählen aber die dritte Möglichkeit: Man macht einfach immer weiter mit seiner Schublade. Irgendwann MUSS das doch funktionieren.

Das ist die Variante, die ich leider bei immer mehr Reitern sehe. Kommen sie zum Beispiel aus der Bodenarbeitsschublade, dann schleudern die ihr Pferd auch dann immer weiter am Boden herum, obwohl das Problem beim Reiten besteht. Kommen sie aus der strammen Englischschiene, können sie nicht einfach mal bei den Westernleuten nach einem neuen Gebiss gucken, obwohl das Pferd einfach eine kleine Schnute hat und alle “Englischgebisse” ablehnt. Machen wir lieber einen Sperrriemen drauf. Kommt der Schubladenwesternreiter beim Sattelkauf nicht weiter, dann guckt er bloß nicht in der Englischecke. Was sollen denn die Kollegen denken, wenn er nachher noch einen PASSENDEN Sattel kauft, der englisch ist. Wäre ja Blasphemie. Wollen wir nicht.

Es ist halt die eigene Comfort-Zone, die dem gemeinen Reiter ein Bein stellt. Denn in der fühlt man sich super: Ich kann da alles, ich weiß, was ich mache – und manch einer wundert sich noch nicht mal, warum das jetzt nicht so funktioniert, wie es sonst in der Schublade üblich ist. Warum versteht das Pferd meine Hilfe nicht? Warum klappert es die ganze Zeit mit dem Gebiss? Nö – da wird drüber weggeritten. Immer schön weiter so, wie man das immer gemacht hat und dann ist’s gut.

Erdreistet sich ein Reiter, einem andere Wege als Vorschlag zu geben, wird es brenzlig. Für den, der die tolldreiste Idee hatte, mal aus der Schublade zu kommen. Ich kann mich noch sehr genau an die Diskussion mit einer jetzt nicht mehr so Bekannten erinnern, die partout beklagte, dass das Pferd mit dem Kopf schnickt und die Zunge raus schiebt. Das hat viele Gründe. Reitunterricht kam als Tipp nicht so gut an. Cheeker Noseband war dann der Bruch in der Schublade und man weiß ja wie nervig das ist, wenn der Boden rausfällt: Alle Socken kullern sonstwohin und sind weg. Die Bekannte auch. Wie ich denn was aus dem RENNSPORT vorschlagen könnte. Sie ist ja schließlich Westernreiterin. Ja, gut … und dein Pferd hat die Nase voll davon, ständig eine in den Kiefer zu bekommen, weil dein Zügel springt und kompensiert das mit der Zunge. Zwar würde da der altbewährte Reitunterricht wohl am besten helfen, aber das Cheeker Noseband sorgt dafür, dass es keine Dauerangewohnheit wird. Es hebt nämlich das Gebiss leicht an.

Natürlich sollte man auch nicht alle Schubladen gleichzeitig aufziehen. In unserem Schrankbeispiel kommt man dann an nichts mehr dran und niemandem ist geholfen. Zu viel von allem ist nie gut (außer bei Käse … aber Pferde sind kein Käse). Und man sollte schon eine Linie verfolgen, wenn man mit seinem Pferd arbeitet. Die muss aber nicht nur durch Schublade X führen, sondern kann sehr wohl mal bei Schublade Y stoppen. Oder man stibitzt sich mal was aus Schublade Z um nachher wieder in die Schublade X zurückzukehren – mit etwas aus Schublade Z. Würde allen helfen. Vor allem den Pferden. Aber nein – Reiter machen es gerne so: Zehn mal vor die Wand rennen und beim elften Mal wundern, warum die immer noch da ist.

Foto: Gleich geht’s rund.