Achtung, Achtung, heikles Thema. Denn der Reiter ist ja vor allem eins: Cool. Er steht wieder auf, wenn die Fußballer noch jammernd und kreischend auf dem Boden liegen, er macht seine schweißtreibende Arbeit mit einem Lächeln und er hält mal eben die Bluttransfusion, spritzt selbst und wischt auch vereiterte Wunden aus. Anschließend fährt er nach Hause und berichtet nur ganz beiläufig von den „schrecklichen“ Dingen, die seiner Meinung nach natürlich gar nicht schrecklich waren, sondern halt dazu gehören. Wir fassen also zusammen: Reiter sind verdammt abgebrüht. Wir alle. Mal fernab davon, dass wir dann heimlich bei Pferdefilmen ein bisschen heulen.

Aber im Stall? Da wird nicht geheult. Maximal toleriert wird das bei der Tatsache, dass das Pferd gerade eingeschläfert wurde. Da geht das schon noch in Ordnung. Schief angesehen wird man aber schon, wenn das gar nicht das eigene Pferd oder die Reitbeteiligung war, sondern nur eins, zu dem man sonst so Kontakt hatte. Warum heult die denn? Ist doch nicht ihrs. Soll die lieber den Besitzern Trost spenden, aber sonst? Lass das gefälligst. Bist du ne Pussy, oder was?

Schlimme Diagnosen, lange Krankenperioden, Sorgen, etc – das ist alles kein Grund zu heulen. Suggeriert uns zumindest die Reitergesellschaft. Ratlosigkeit, das Geld geht langsam aus, weil das Pferd nur noch in der Klinik steht, Kredite, die bezahlt werden müssen, ständiges Theater mit der Gesundheit … nö. Da hast du ja wohl nicht zu heulen. Da haben Reiter dann auch so 0 Verständnis, was ich schon fast erschreckend finde. Also ganz ehrlich, wenn es langsam existenzbedrohlich wird das Pferd am Leben zu lassen, dann verstehe ich, wenn da mal jemand heulend in der Ecke sitzt, weil er einfach nicht weiter weiß. Klar, heulen hilft auch niemandem – aber es befreit manchmal. In netten Stallgemeinschaften wird auch das noch mal toleriert. So gerade eben. Ansonsten kommt aber das Getuschel:
„Pfff die Sabine sitzt hinten und heult, dabei hat ihr Pferd nur Rehe – ist doch nicht das Ende der Welt.“ Ne, die Sabine weiß aber nicht, wie sie jetzt schon wieder Spezialbeschlag zahlen soll, wie sie überhaupt im Stall verbleiben soll, weil der keine Koppeln für Rehepferde hat und reitbar wird das Pferd voraussichtlich auch nicht mehr sein – dabei hat sie letzte Woche erst einen teuren Maßsattel gekauft.

Unterste Stufe sind dann zwei Dinge: Machtlosigkeit und Angst. Aus beiden Gründen darf man nicht heulen und andere Reiter zeigen noch mit dem Finger auf einen und sagen: Pfff, soll die halt weggehen und ihr Pferd verkaufen, wenn sie Angst hat. Dabei kann Angst eben auch jeden Reiter treffen. Muss ja nur mal was Schlimmeres passieren. Die wenigsten gehen anschließend radschlagend in die Halle und machen Party auf dem Pferderücken. Ein Zögern bleibt. Kann zur Angst werden. Und nach einem Unfall, der haarscharf an der Querschnittslähmung vorbei ging, kann ich schon Leute verstehen, die plötzlich heulend neben ihrem Pferd stehen, weil die vor ihrem geliebten Tier Angst haben und sich nicht wagen, wieder in den Sattel zu steigen.

Die andere Variante ist Machtlosigkeit. Wenn das Pferd durchgeht, man selbst noch oben sitzt und zitternd wie Espenlaub um Kontrolle kämpft. Oder mit seinem Pferd nur Schritt gehen darf, während das Vieh tobt, als wäre es vom Teufel besessen und man sieht nur vor dem inneren Auge, wie die Sehne gleich ganz durch ist, das Pferd bald vom Abdecker geholt werden muss und man selbst versucht das mit all seiner Kraft zu unterbinden und ist nachher psychisch und physisch am Ende. Und das nach fünf Minuten „Schritt“.
Während man also von der Panik übermannt wird, stehen andere Leute daneben und kichern sich einen: „Haha, was heult die denn?“ Statt mal zu helfen, oder wenigstens etwas Wirkungsvolles zu tun (Fresse halten zum Beispiel).

Ich bin schon recht unemotional im Umgang mit dem Pferd. Aber von allem könnte ich mich nie freisprechen. Ich hab auch schon bei totalem Kontrollverlust heulend auf einem Pferd gesessen, einfach, weil das Ende meiner Kräfte erreicht war. Obwohl ich eigentlich auch abgebrüht genug dafür bin, das Sautier dann einfach laufenzulassen, sofern nichts Gefährliches in Sichtweite ist. Aber das geht eben nicht immer. Und dann hat man immer irgendwo ein Arschloch stehen das sagt: „Was gibt’s denn zu heulen? Man, bist du ein Weichei.“ Solche Leute liebe ich ja. Aber das Schöne ist: Da wir alle Reiter sind, hat man die Gewissheit: Die trifft es auch irgendwann. Vielleicht halten sie dann mal die Fresse.

Foto: Schiefes Halfter, hübsches Foto – von Morwen Fotografie natürlich.