Ich weiß nicht, ob ich euren Job noch machen wollen würde. Wahrscheinlich nicht. Denn ihr lebt mittlerweile deutlich häufiger mit Helikoptereltern, anti-autoritär erzogenen Kindern und ADHS-Kindern als das früher noch der Fall war. (Gell? Ist ja Mode, dass das Kind was hat). So wie auch die Lehrer in der Schule. Auch ist Reiten mittlerweile deutlich weiter verbreitet, die Auswahl ist riesig und das gibt natürlich auch Konkurrenz. Ein bisschen Konkurrenz ist gut, zu viel ist tödlich.
Und dann sind da noch die Erwachsenen, mit denen ihr euch rumärgern müsst. Leute, die sich von allem getriggert fühlen, die man niemals verbessern darf und die eigentlich nur gekommen sind, weil sie Lob wollen. Aber Reiten besteht halt nicht nur aus Lob. Es ist Arbeit und ein langer Lernprozess, der niemals endet.
Zunächst einmal also Hochachtung vor eurem Job.

Aber ich muss euch auch was sagen. Oder zumindest manchen von euch. Warum möchtet ihr eine Generation von unselbstständigen Reitern heranziehen? Wieso lehren viele kaum noch den Umgang mit dem Pferd? Ich finde es erschreckend, wenn zehnjährige Kinder nicht mal ein Pferd satteln können – es dafür aber in den Grundgangarten reiten können. Das verstehe ich nicht. Wer nicht satteln kann, braucht doch auch noch gar nicht Galopp reiten.
Ich weiß vermutlich auch woher das kommt. Ihr habt Zeitdruck. Und Gelddruck – denn: Ihr müsst ja immer billiger werden, wo sich doch heutzutage (und früher war das auch schon so, Trainer C ist die größte Lachnummer ever) jeder Reitlehrer schimpft und für 10 Euro angefahren kommt und Einzelunterricht schmeißt. Ihr seid nun also teurer – daher müsst ihr mehr Schüler annehmen, damit das sich am Ende des Tages noch rechnet, vor allem, wenn ihr eine richtige Reitschule habt. Wie sollt ihr euch sonst über Wasser halten?

Es ist also ein Zwiespalt. Verstehe ich. Aber die Kevins und Schantalles müssen ihr Pferd trotzdem lernen zu satteln. Sie sollten verstehen, wo die Hufe beim Pferd sind und warum es wichtig ist, diese zu kontrollieren. Auch die Theorie ist immens wichtig.
Doch ach – da ist ja noch was: Die Eltern. Die bezahlen schließlich fürs Reiten und zwar NUR dafür. Meinen sie. Wenn das Kind nicht auf dem Pferderücken saß, war das gar keine Reitstunde und man will die Kohle zurück. Unverschämt! Belehrt die einfach das Kind!
Wehrt euch dagegen. Macht Eltern klar, was es heißt zu Reiten – meistens heißt das nämlich, dass man nicht auf dem Pferd sitzt, sondern daneben steht und es versorgt. 80% der „Reiterei“ findet am Boden statt, selbst wenn man gar keine Bodenarbeit macht.
Sagt denen: Ohne Theorieeinheiten dürfen die Kinder nicht Reiten. Und für Erwachsene sollte das ebenso gelten.

Jetzt sagt ihr sicher zurecht: Dann gehen die und was mache ich dann? Lasst sie ziehen. Euer Kundenkreis besteht bestimmt nicht nur aus solchen Eltern/Kinder-Gespannen, die ausschließlich zum Reiten antanzen. Sollen sie doch anderen Leuten damit auf die Nerven gehen, aber nicht euch. Die bleiben meistens sowieso nicht dabei.
Zum Reitlehrer sein gehört mehr als nur an der Bande zu stehen und Anweisungen zu geben – und dabei noch die Lobmaschine zu spielen, damit die kleinen Kevins und Schantalles sich „entfalten“ können. Es heißt auch zu tadeln, wenn dem Pferd unrecht getan wird, es heißt, die Kinder aufzuklären, wenn sie Fehler machen, denn am Ende hat man da immer noch ein Lebewesen. Und wenn das jemand nicht verstehen kann oder will – dann seid nicht traurig, wenn diese Leute abziehen. Sollen sie ihren Kevin schnell in den SUV packen und protzig vom Parkplatz rollen. Das ist nicht euer Problem.

Viele von euch machen einen großartigen Job – und müssen dabei auch noch Geschäftsleute sein, die den Spagat zwischen richtigem Reiten und Kundenbindung finden müssen. Aber ganz ehrlich? Manche Leute will man halt einfach nicht als Kunden. Beim Führerschein müssen ja auch alle in die Theorie, da kann auch nicht Mutti kommen und sagen: „Der Kevin soll aber Autofahren, dafür bezahle ich ja“.
Gebt Kurse, stellt Regeln auf und wer sich nicht dran hält – der kommt halt nicht weiter. Wir durften z.B. erst Springen, nachdem wir einen Nachmittag die Theorie durchgekaut haben, den korrekten Sitz erübt haben und Sprünge aufbauen konnten. Wer das nicht mitmachte, der durfte halt nicht springen.

Ihr seid nicht die Hampelmänner der Eltern. Ihr habt für beide Verantwortung: Für Pferd und Reiter. Macht was draus. Ihr seid so wichtig!

Foto: Es spackt ein wenig – Morwen Fotografie