Manche Pferde sind sehr gemütlich. Die sehen keinen Grund dafür, ihr Leben mit Hektik zu verplempern. Die werden weder bei Futter schneller, noch bei schlimmen Sachen, die Pferde fressen. Sie sind gottergeben und warten auf ihr Schicksal. Lieber vom Schakal gefressen werden, als sich unnötig gehetzt zu haben. Wenn man halt gefressen wird, ist das eben so. Da braucht man jetzt auch nicht mit der Hetzerei anfangen.
Jeder kennt so ein Pferd. Sie sind überall, jeder Stall hat eins. Und es macht nicht vor Rassen Halt – sogar jeder Rennstall hat den Kandidaten, der zwar schnell laufen könnte, aber es einfach nicht will. Das ist ihm nicht mal zu anstrengend, er sieht nur keinen Sinn sich zu hetzen.
Meine Gemütlichkeitspferde hatte ich in der Reitschule. Und im Rennstall. Über die müssen wir heute nämlich mal reden. Denn so Gemütlichkeitspferde unterliegen ihren eigenen Regeln, die ganz sicher konträr zu sämtlicher Reiterei verlaufen, die ihr so vorher gelernt habt.
1. Einen Gang schneller gibt es beim Führen nicht. Da kann die Apokalypse drohen, das Pferd wird nicht schneller. Futter taugt auch nur bedingt, weil so ein waschechtes Gemütlichkeitspferd bleibt dann beim schnabulieren schon mal stehen. Und steht es erst einmal, dann kann man getrost: “Gute Nacht” sagen. Das wird heute nix mehr.
2. Galopphilfen sind nicht zwingend als solche anzusehen. Ein Gemütlichkeitspferd fragt nämlich, ob du dir sicher bist. Und zwar öfter als Günther Jauch bei: Wer wird Millionär, wenn er seine Kandidaten verunsichern will. Gibt man also die Galopphilfe, passiert gar nichts. Oh, doch. Irgendwie wirkt das Gemütlichkeitspferd ein bisschen fleißiger. Ein bisschen. Minimal. Wenn man genau hinsieht.
3. Wer bremst, kann besser gucken. Wenn also das Gemütlichkeitspferd etwas sieht, dass es nicht kennt, parkt es und guckt. Und guckt. Und es guckt, wenn es nach ihm geht, durchaus auch bis abends. Wirklich unangenehm wird das bei Galoppern, denn auch die parken. Mit Ansage. Und Schmackes aus dem Renngalopp, wenn es sein muss.
4. Das Gemütlichkeitspferd überträgt seine Gemütlichkeit auf den Reiter. Was bedeutet, dass beide bis Ende der Arbeitseinheit sich selbst eingeschläfert haben. Eine Arbeitseinheit mit Gemütlichkeitspferd macht müde. Nicht, weil das so anstrengend ist, sondern weil das Pferd so einschläfernd wirkt.
5. Hat irgendetwas das Pferd aus seiner Gemütlichkeitsphase herausgerissen, dann Gnade dir Gott. Du küsst mit Anlauf den Boden, bekommst noch nen Rempler oben drauf und das Gemütlichkeitspferd erschreckt sich so sehr vor sich selber, dass noch den eigenen Enkeln von diesem Ausraster erzählt wird.
6. Das Gemütlichkeitspferd zu Schnelligkeit zwingen zu wollen ist ein auswegloses Unterfangen. Schneller auf den Hänger? Pff … steh halt früher auf. Schneller rumdrehen? Dreh du dich doch! Das Gemütlichkeitspferd hat es einfach nicht eilig. Und wenn du es eilig hast, dann hast du eben Pech.
7. Das Gemütlichkeitspferd zu ärgern ist blöd. Unter ärgern fällt die Nötigung, es schneller zu bewegen, als es eigentlich will. Böse Gemütlichkeitspferde schalten dann nämlich in die nächste Stufe und werden zu Sturpferden. Und Sturpferde sind noch eine Stufe schlimmer als Gemütlichkeitspferde. Wo das Gemütlichkeitspferd das Kreuz im Schritt “springt” parkt das Sturpferd. Und parkt. Und parkt. Und wenn es nicht gestorben ist, weigert es sich immer noch über das Hindernis zu gehen.
8. Das Gemütlichkeitspferd ist auch auf der Weide gemütlich. Das rennt nicht ungefragt los, oder lässt sich nicht einsammeln. Nö, das geht gesittet zur Weide (und verdammt langsam wieder runter). Wenn die anderen “Fang den Schatten” spielen, dann macht es nicht mit. Viel zu ungemütlich und hektisch. Das höchste der Gefühle ist mal irgendwo durch eine Gruppe Pferde zu panzern, die viel zu viel Aufregung verursachen. Dann zwingt das Gemütlichkeitspferd zur Chillout-Zone.
Foto: Manchmal kann er das auch sehr gut. Aber eben nur manchmal. Manchmal ist er auch ein irres Vollblut, das seine Umgebung nerven muss.
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