Kennt ihr auch diese Leute, die immer mit dem Argument kommen: „Na, wenn das Pferd weg will, ist das eh weg, da brauchst du keine Kette beim Führen nehmen.“ Achso … ja, dann kann man die gleich alle Pferde loslassen. Irgendwie ist da was in sich nicht richtig. Natürlich: Wenn das Pferd weg will, ist es weg. Manchmal hilft aber auch ein Ruck, ein Knuff, auch ein heftiger Ruck und ein heftiger Knuff, damit sich das Pferd daran erinnert, dass es nicht allein auf der Welt ist. Glaubt ihr nicht? Doch, ist aber so. Also ich wäre weitaus häufiger hinter diversen Pferden hergelaufen, wenn ich die einfach laufenlassen hätte, weil: Ist ja eh weg. Grüße an die Frankfurter Rennbahn, btw. Die haben schöne Aufnahmen von mir gehabt, mit wehenden Haaren und wehendem Strick. Mit ohne Pferd.
Es ist jedes Mal dasselbe: Wenn das Pferd durchgehen will – ja, dann ist es weg. Gottlob geht halt so ein Pferd auch nur einmal alle hundert Jahre so richtig unhaltbar durch. Die anderen Male sind mehr ein: Och, mal gucken, ob ich wegkomme, wenn ich losrenne. Und das kann man sehr wohl bremsen. Vielleicht nicht mit nem Halsring, oder einer Damenstrumpfhose. Aber mit einer Trense, einem Strick oder einem Halfter, da geht das sehr wohl. Unhaltbar: Die Irre mit Seitwärtsdrang, trotz Puller-Gebiss. Nicht unhaltbar: Todesstern auf dem Weg zur Weide, Mozart wenn er seine fünf Minuten hat und einen astreinen Spin im Gelände hinlegt. Oder der Assi, wenn er in den Teich will. Ja, das geht, wenn man nicht wie ein nasser Sack hinterherweht, sondern wenigstens mal versucht dem Pferd mitzuteilen: Ey, ich bin auch noch da. Geht übrigens dann am Besten, wenn man irgendetwas hat, das dem Pferd das auch signalisieren kann. Stricke, die jemand über den Hals gelegt hat und dann niemand greift, oder Halsringe, die so „frei“ machen, tun das eher nicht.
Es ist traurig, dass wir jedes Mal mit den Leuten streiten müssen, die mit Vorliebe mit Halsring oder lascher Sicherheitsausrüstung am Pferd stehen und sagen: „Hach, ich habe gar nichts versucht, da war es einfach so weg. Aber so ein Pferd ist ja auch viel größer, da kann ich ja nichts machen.“
Hatten wir mal im Rennstall. Sehr anstrengend. Weil Pferde dann ja nicht eine Runde gehen, sondern mehrere. Und dooferweise auch alle anderen überholen. Das ist überhaupt nicht witzig, weil der Rest dann ja ebenfalls anzieht. Und die Dame obendrauf hat die Füße aufm Armaturenbrett, wehende Wallazügel und fetzt gerade an uns vorbei. Komisch. Die anderen Pferde gehen trotzdem nicht drei Runden. Ist aber natürlich anstrengender, wenn man sich mit 500 Kilo anlegt. Und wenn man sich gar nicht anstrengen will, lässt man halt einfach laufen und sagt: „Hochja … wenn die loslegen, kriegt man die ja eh nicht mehr gehalten.“
So gesehen auch bei einer äußerst spannenden Longiereinheit, der ich unfreiwillig beiwohnen musste. Und bin in der Halle und mache den Springschimmel warm. Drüben ist Springstunde. Mit mir ist eine Ponylongiererin in der Halle. Das Pony hat aber keinen Bock darauf und furcht schonmal den ersten Hufschlag um, den ich gerne benutzen würde. Die in der Mitte ruft sinnlos den Ponynamen und das wars auch. Die Longe schleift aufm Boden hinterher. Ich halte an.
„Kannst du die mal was kürzer nehmen, ich würde hier gerne noch reiten.“
„Ja, die ist heute so bescheuert, Sorry.“
„Ich bleib dann oben auf dem Zirkel.“ Komm, was soll’s halt.
Ich galoppiere ein bisschen, der Ponyzirkel wird größer und größer und irgendwann kommt die mir in die Quere.
Hintendrang hängt die Schlabberlonge mit Besitzerin.
„Huch!“, sagt die.
Ja, ach … huch.
„Kannst du die nicht mal kürzer nehmen?“
„Ne, die ist heute ja so bescheuert.“
Ach, weißte, eigentlich kann ich auch zwischen den Sprüngen, die gerade aufgebaut werden, warmreiten. Die bewegen sich wenigstens nicht.
Als ich rausgehe, werfe ich noch mal schnell nen Blick zurück. Da rennt das Pony jetzt mit wehender Longe ohne Frauchen. Die steht ratlos in der Mitte. Pony hat sichtlich Spaß. Frauchen nicht.
Aber ich weiß genau, was sie nachher ihren Freundinnen erzählt.
„Mensch, die Pupsi, die ist so schlimm heute gewesen, ich konnte die überhaupt nicht halten.“
Nein. Du hast es nicht versucht. Das ist der feine Unterschied.
Foto: Wo ist eigentlich meine Brille?