Früher ging das immer so problemlos – ein flottes Galöppchen über das Stoppelfeld, noch zweimal die Woche Springstunde, den Tierarzt kennt man nur vom Impfen und der erinnert sich regelmäßig nicht mehr daran, dass er je bei einem im Stall war und zweimal an einem Tag reiten, weil das so Spaß macht, war auch immer drin.
Irgendwie geht das plötzlich nicht mehr. Also schon. Aber nicht mehr so wie früher. Plötzlich dauert es recht lange, bis das Pferd warm ist. Es geht ein bisschen steif und es stolpert auch mal. Oder es lässt den Elan früherer Tage vermissen. Im Gelände ist jetzt die gemütliche Route angesagt und das Stoppelfeld ist keine Rennstrecke mehr.
Auch mit dem Futter klappt das nicht mehr so gut. Plötzlich nimmt das Pferd ab, benötigt angepasstes Futter, denn die Zähne werden langsam problematischer. Eine Woche stehen? Muskelschwund.
Auf der Weide geht auch etwas Komisches vor, das Pferd sondert sich ein bisschen ab, spielt nicht mehr mit den Jungspunden, es möchte gerne etwas Ruhe.
Dann kommt auch der Tierarzt häufiger. Zipperlein werden zu Stehgründen, wo man früher problemlos weiterreiten konnte, denn es war doch nur eine kleine Wunde. Jetzt wird aus der Wunde ein Problem, die Wundheilung wird schlechter.
An manchen Tagen ist das Pferd verspannt und nicht mehr so wach. Ihm ist schneller kalt. Das Winterfell verschwindet auch nicht mehr so einfach. Und es kann die Beine nicht mehr so gut hochhalten beim Schmied.
Ab dann ist dem Reiter klar, dass seine Zeit mit dem Pferd endlich ist. Und nicht unendlich, wie man es sich immer denkt, wenn man sein Pferd glücklich das erste Mal aus dem eigenen Stall führt.
Aber eigentlich ist das kein Beinbruch. Es ist eigentlich eine ruhige, sehr bewusst erlebte Zeit, die dann anfängt. Denn sie ist ja nicht einmal jedem vergönnt. Nicht jedes Pferd wird alt und grau. Manche schaffen nicht einmal die drei Jahre. Ein blöder Unfall, eine schlimme Krankheit, und dann war es das schon.
Man kann es nicht am Alter festmachen, denn es kommt bei den einen früh, bei den anderen spät. Aber eines Tages steht man auf der Weide, möchte seinen Freund begrüßen und stellt über Nacht fest: Er ist alt geworden.
Je schneller man sich damit abfindet, desto besser. Manche Dinge sind dann einfach nicht mehr so wie früher.
Aber Halt. So ein Reiter wird ja auch älter. Wo er früher sorglos übers Stoppelfeld geprescht ist, überlegt er sich das jetzt doch genauer. Gibt es da Löcher? Habe ich überhaupt mein Handy dabei, wenn etwas passiert?
Den Sprung könnte ich mir jetzt auch klemmen, dahinter ist es rutschig. Muss ja nicht sein, zu Hause warten Kind und Mann auf mich.
Er möchte auch gar nicht mehr zwei Springstunden in der Woche nehmen. Dafür bleibt einfach nicht mehr die Zeit neben Haushalt und Arbeit. Lieber ein bisschen die Seele baumeln lassen, die kommt oft zu kurz. Vielleicht nur ein kleiner Ritt durch den Wald. Oder heute einfach mal das Pferd beschmusen.
Vielleicht ist es jetzt auch mal Zeit das Kind reiten zu lassen, denn die Knochen des alten Pferdes tun bei richtiger Arbeit jetzt öfter mal weh. Aber wenn das kleine Mädel eine Runde drehen mag – wieso nicht? Denn die Alten wollen ja auch nicht abgeschoben werden.
Wenn der Reiter also nur akzeptiert, dass sein Pferd sich im Laufe seines Lebens verändert, so wie er selbst, dann würde es manch altem Pferd besser ergehen.
Foto: Nicht alt. Auch gut!