Du weißt, das irgendetwas nicht stimmt, wenn du deine Freundin mit auf die Rennbahn nimmst und nachdem du ihr stolz das Pferd aus deinem Stall gezeigt hast, nimmt sie dich zur Seite und fragt: „Ist das wirklich ein Pferd wie alle anderen?“
Dann schaust du noch einmal richtig hin und stellst fest … könnte auch ein Warmblut sein. Ein schweres, fettes Warmblut. Das ist also Specki – der in Wahrheit einen total hochtrabenden Namen hatte.
Eigentlich bekommt man die Jährlinge ja Ende des Jahres in den Rennstall. Eigentlich. Scheinbar hat er einen Umweg genommen, denn Specki kam erst im August des folgenden Jahres. Unbemuskelt, aber vollkommen dick. Er fiel aber auch sonst auf wie ein bunter Hund. Riesenkopf „Haben wir eigentlich Warmbluthalfter?“, Wurstpummelbeine, die doppelt so dick wie die eleganten Vollblutstelzen waren und sonst nur aus Wampe bestehend. Und so groß wie ein Elefant. Boxentüren waren ein Hindernis (weil Wampe im Weg), Sattelgurte zu kurz, Scheuklappen zu klein, Decken zu kurz, sodass er aussah, wie die dicken Amis im Walmart, wenn sie auf den lustigen Carts herumfahren und zu enge Klamotten tragen.
Specki fiel einfach jedem auf. Und fröhlich war er. Beim Anreiten ein Traum, hat alles sofort verstanden.
Leider hat irgendwer vergessen, Specki zu erzählen, wie Pferderennen so funktionieren. Außerdem hat irgendwer nicht hingesehen, als er Derbynennung und Listenrennen für ihn vorsah. Das da? Im Derby? Never ever.
Im Stall war Specki also schnell der Liebling, solange man ihn nicht reiten musste. Also klar, wenn man ein entspanntes Lot wollte, wo das Pferd nicht herumhampelte und auch sonst eher gemächlich war, dann war das voll super. Specki fand schnell laufen blöd. Oder einfach sinnlos. Da wackelt der Wanst nur unnötig.
Die Zweijährigen Klassiker wurden ausgelassen, Specki war ja spät dran, das hätte er nie gepackt. Aber vielleicht ja nächstes Jahr, wenn er drei ist.
Ihm Beine machen war unmöglich. Specki war fröhlich und langsam. Und auch das einzige Pferd, bei dem der Trainer je auf die Uhr geschaut hat. Wer den in weniger als 4 indiskutablen Minuten über die Meile schieben konnte, war ein Held.
Specki ging im Winter zurück ins Gestüt, kam im Frühjahr wieder – unverändert.
Er hatte keinen festen Reiter, alle mochten ihn, daher wollten ihn auch alle reiten. Und Specki mochte auch jeden. Es gab nichts, mit dem er unzufrieden war.
Der Ernst des Lebens fing dann doch irgendwann in Köln an. Als Specki denn nun endlich mal laufen sollte. Auf 2000 Meter. Gerne hätte ich dem Jockey was gesagt, der die Abstammung sah und schon mal den Jubel probte.
Es mobbelte also aus der Startmaschine (ein Wunder, dass er nicht steckenblieb – Bauch verschwunden, aber schweres Pferd bleibt nun mal schweres Pferd), machte sogar ein bisschen Dampf, um dann ab der Meilengrenze sich die Schmetterlinge anzusehen und zu sagen: Nöööö …
Versuch macht klug – und Specki mobbelte sich auch noch mal für andere Besitzer durch ein Rennen. Wo er sogar Ausversehen mal Zwei Mark fünfzig, oder irgendwie so was, verdiente. Jedenfalls bekommt jeder Ein-Euro Jobber mehr.
Specki war nie für die Rennbahn gemacht. Zu groß, zu schwer, zu lieb, zu wenig Biss, zu wenig Kämpfer. Aber er mobbelte eben so durch unseren Stall und war zufrieden mit sich und der Welt.
Warum erzähl ich euch die Geschichte von Specki? Kein tolles Rennpferd, kein besonderes Charakterpferd, kein Happy End, kein gar nichts.
Na, weil das einfach ein normaler Werdegang ist. Man stellt fest, dass ein Pferd fürs Rennen nicht taugt. Und das sogar früh. Je nach Besitzerwunsch versucht man es länger oder kürzer. Und dann gibt man es an jemanden, der ihm eine andere Aufgabe gibt. Specki steht stellvertretend für beinahe alle Rennpferde, die deutsche Rennpferde aufgrund von Langsamkeit verlassen. Nur eben etwas dicker als der Rest.
Foto: Nicht Specki, aber auch zu langsam. Dafür jetzt Longenhalter.