Manchmal muss man ja darüber sprechen, wie man sich in fremden Ställen benimmt. Denn Reiter wissen zwar in der Theorie und im heimischen Stall, wie es geht – aber dieses Muster wird scheinbar nicht mit fremden Ställen verknüpft. Warum? Keine Ahnung. Scheinbar muss man davon ausgehen, dass manche Reiter nicht bis zwei zählen können. Und die berüchtigten Aufgaben, die der Lehrer in der Klausur als Transferaufgaben betitelt hat, die haben sie auch nie lösen können. Wenn man sich mal so einen Reiter im fremden Stall betrachtet.
Geht schon auf dem Parkplatz los: Hupen ist immer statthaft, wenn man gerade auf seine Freundin wartet, mit der man verabredet ist. Egal, wie sehr die ollen Viecher, die vorbeigeführt werden, herumspringen. Sind doch nicht die eigenen, was interessiert das?
Kommt die Freundin nicht, wird genervt ausgestiegen. Parkplatzmarkierungen sind nur optional zu beachten. Als Sahnehäubchen. Man ist schließlich Gast, man darf hier parken.
Auf dem Weg durch die fremde Stallgasse dürfen ruhig alle Boxentüren mal geöffnet werden, sofern das Pferd schön ist. Möchte man sich ja ohne die nervigen Gitter oder Fenster ansehen können.
Auch Leckerlies sind immer wieder ein Highlight, die darf man sich ungefragt aus Tonnen, Kisten oder Putzkoffern nehmen, die so im Weg herumstehen. Aber auch hier: Nur die niedlichen und schönen Pferde füttern.
Fortbewegung? Nur schlurfend! Das ist spannender für alle Beteiligten, besonders für die Leute in der Halle, oder auf dem Platz. Handtaschen fallen lassen, Schlüssel klimpern, oder auch mal lautstark Telefonieren, sind ebenfalls gerne gesehen.
Ist die Trödelliese immer noch in der Halle, darf man ruhig mal gucken, wie da geritten wird. Am besten jemandem anrufen, dem man das auch schildern kann:
„Boah, ja hier reiten nur Anfänger.“
„In diesem Stall scheint es keine Dressurreiter zu geben, das sind alles nur Freizeitreiter.“
„Ja, Rollkur seh ich auch. Ganz schlimm, die haben nicht umsonst so einen schlechten Ruf!“
„Ich frage mich sowieso wieso die Simone hier reitet, man sieht ja, dass die hier nix lernen!“
Hat man sich damit so richtig beliebt gemacht, darf auch mal in die Halle gegangen werden, um der Freundin zu sagen, dass man jetzt da ist. Hat die ja vielleicht nicht gesehen oder gehört. So auf 10 Kilometer Geschrei …
Es wird natürlich nicht „Tür frei!“ gefragt, sondern einfach reingerutscht. Sollte sich jemand erdreisten was zu sagen, ist es völlig legitim ein geheucheltes und überhebliches: „Sorry“ mit erhobenen Armen rauszupressen. Was die nicht alles hier verlangen!
Dazu darf man auch mit der Freundin auf dem Hufschlag schnacken. Hallo! Die wollen ins Kino. 50 Shades of Durchfall, oder so ähnlich.
Wenn man dann endlich ausgeschwatzt hat, dann kann man auch schon davondackeln. Natürlich wieder ohne Ansage. Und noch mal zurückkommen, um der Freundin die olle Abschwitzdecke abzunehmen, die man flatternd und wehend, mit Karacho und viel Radau auf der Bande drapiert. Was galoppieren die Pferde hier so doof herum? Also die im eigenen Stall, die können das ab.
Hacken abtreten vor der Halle nicht vergessen, das macht man so laut, dass die Leute schon von den Vibrationen vom Pferd fallen.
Anschließend brüllt man noch irgendwas total Unwichtiges, was man vergessen hat, der Freundin zu und macht sich wieder auf den Weg in sein warmes Auto. Ist ja so schmuddelig hier. Im heimischen Stall ist alles viel besser.
Aber auf dem Rückweg nicht vergessen, noch ein paar Boxen unbefugt zu betreten! Gibt sonst Abzüge in der B-Note.
Foto: Halsringreiter ohne Kleid … gilt ja gar nicht.