Auch Reiter haben manchmal den inneren Goldfisch. Der taucht besonders dann auf, wenn sie ins Viereck einreiten, oder in einen Parcours. Er sorgt dafür, dass man an Blackout, Dummheit und Synpasenklappern leidet – auch durchaus mal alles zusammen.
Der Goldfischmodus sorgt dafür, dass man vergisst, wie der Parcours überhaupt aussah, oder wie die Aufgabe aufgebaut war. Und auch, dass man vergisst, wie man reitet.
Denn wenn der Reiter im Goldfischmodus ist, dann vergisst er sogar die Basics. Ich hab schon Leute beim großen Reitabzeichen auf dem falschen Fuß leichttraben sehen – mit Fahrleinen als Zügel und lustigen Wackeldackelbewegungen. Sind diese Leute übrigens gerade nicht beim Reitabzeichen, reiten sie die hauseigenen Jungpferde an. Und das top. Denn Können schützt nicht vor Goldfischallüren.
Irgendwann ereilt es einen. Der totale Blackout.
Wenn man vor den Richtern steht zum Grüßen und sich denkt: “Wer bin ich? Was mach ich hier? Wer ist dieses Pferd? Und wie zur Hölle war noch mal die Aufgabe?”
Nicht nur Dressur/Spring/Westernreiter haben dieses Problem. Es passiert auch Fahrern, die ratlos vor ihrer Kutsche stehen (da ist was abgegangen … wie mache ich das noch mal wieder dran?”) oder Rennreiter: “Was war noch mal die Order? Weiß ich nicht mehr … na, wird schon schiefgehen, Pferd ist doch zufrieden vorne. Huch … Stock verloren.”
Es ist halt nicht immer leicht, das umzusetzen, was wir sonst Zuhause problemlos erledigen. Es gibt verdammt viele Pferde, die im heimischen Stall L geritten werden, aber bei einer E versagen … aufgrund ihres Reiters. Der leider alles vergessen hat, inklusive atmen.
Viel gibt es da auch nicht, was man dagegen tun kann. Denn manchmal kommt der Blackout mit anschließendem Goldfischmodus ja gar nicht. In diesen unbeobachteten Momenten gewinnt man dann auch mal locker flockig seine L-Dressur. Und verreitet sich dafür zehn mal bei der nächsten, weil im Hirn Einöde herrscht.
Westernreiter haben es auch nicht einfacher, die müssen sich ja ein Pattern merken. Leider macht der Goldfischmodus daraus dann ganz kuriose Sachen. War das richtig? War das falsch. Oder auch einfach nur: “Dööööööööh!”.
Zu erkennen ist der Goldfischmodus am leicht glasigen Blick des Reiters. Gepaart mit schlaganfallähnlichen Zuckungen, oder einer gewissen Bestimmtheit: Wenn ich schon Ebbe im Hirn habe, dann doch wenigstens mit Schmackes die Aufgabe versemmeln. Sicheres Autreten, bei absoluter Ahnungslosigkeit wirkt nämlich viel seriöser. Da macht es doch sicher gar nichts, wenn man sich im Parcours verläuft und anschließend im Kinderparadies abgeholt werden muss.
Reiter haben es halt manchmal einfach schwer. Ist doch auch fies, diese ganze Aufregung. Manchmal möchte man ihnen einen Wodka reichen und sagen: Schnauze jetzt, du brabbelst schon die ganze Zeit unkontrolliert.
Ich übrigens auch. Vor reiterlichen Prüfungen darf man sich nicht mit mir unterhalten. Es kommt nur Unsinn dabei heraus: “Ich find’ das voll nett von euch beiden, dass ihr zu dritt da seid!” So begrüße ich dann auch Leute vor der Prüfung.
Außerdem wiederholen sie sich ständig: “Hoffentlich schaffe ich das, hoffentlich schaffe ich das.” In Gedanken aber schon beim Kopfkino, wo einem dreihundert Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man es NICHT schafft und dabei noch möglichst schmerzvoll verstirbt. Oder sich so richtig zum Löffel macht.
In der Prüfung selber wird dann einfach nicht mehr nachgedacht. Weil das Hirn streikt.
Also bitte nicht lachen, wenn ihr mal wieder völlig unfähige Turnierreiter über den Platz eiern seht und euch denkt: Was zum Teufel machen die da? Die haben nur spontan den Goldfischmodus angeschaltet.
Denn auch ihr könntet demnächst auch mit offen stehendem Mund vor dem ersten Sprung stehen, um euch zu fragen: Was mach ich damit? Oder vergessen, wo links und rechts ist, wenn ihr gerade einreitet. Oder doof sitzen. Oder nur doof gucken. Reicht manchmal schon.
Foto: Von Morwen Fotografie. Huiiiii!