Manchmal hat man dieses Gefühl ganz stark. Die Jahre ziehen ja so an uns vorbei. Gestern war das eigene Pferd noch ein Jungspund und plötzlich sieht man das erste Grau im Gesicht und denkt sich … wann ist denn das passiert? Und nicht nur das Pferd, nein, wir selber werden alt. Das merken wir bei ganz alltäglichen Dingen, wenn wir auf Facebook unterwegs sind, oder wenn wir mal eben in die Reithalle schauen. Denn es gibt Dinge, die für uns früher selbstverständlich waren und es heute überhaupt nicht mehr sind. Oder Dinge, die uns früher aufgeregt haben und heute nur noch ein müdes Zucken zur Folge haben. Holy Shit, Mädels und Jungs … wir werden scheiße alt.
Denn früher … also da hat man maximal über die Krankheiten des Pferdes geredet. Oder seine Wehwehchen. Während man jetzt plötzlich selbst manchmal auf dem Stuhl in der Halle sitzt und wenn jemand fragt, warum – dann muss man sagen: Nene, das Pferd hat nicht Aui … sondern ich. Und dann … wenn die Miteinsteller auch alt werden, fragen sie dich noch was du hast und vergleichen mit ihren Krankheiten und plötzlich dreht es sich nur noch um Auis und Bubus. Und das ganz ohne die Teilnahme am Seniorenkaffee. Da staunt man, was die alle für Wehwehchen haben.
Auch sonst … früher war es ständig: Reiten, Reiten, Reiten. Oder wenigstens spazieren gehen. Also wenn ich mittlerweile vor dem Stalltor stehe und es pisst aus Eimern … dann sage ich nicht mehr: „Juhu, aber wenigstens spazieren gehe ich noch.“ Sondern: „Fuck this shit, heute hat er frei.“
Überhaupt … wir sind ja nicht mehr so wagemutig wie früher. Damals: Hauptsache Pferd. Buckelt jeden runter? Jaja … gib mir trotzdem. Pferd, Pferd, Pferd, PFERD! REITEN!!!! Ich reite nämlich alles. Da waren wir auch noch gar nicht so wählerisch. Hauptsache Pferd. Egal wie es aussieht, oder sich benimmt. Das ist jetzt plötzlich nicht mehr so. Wenn wir Pferde beim spontanen Rodeo sehen, denken wir uns: Hmpf … muss ich ja nicht reiten und zucken die Schultern und gehen weiter. Nicht das alte: „Das MUSS ich reiten, das könnte spannend werden.“
Und überhaupt … wählerisch sind wir geworden. Hat der mir gerade angeboten seinen Tinker zu reiten? Ne, also Tinker schon mal gar nicht … Uargh!
Dann haben wir uns ja auch ständig aufgeregt. Boah, hat der gesagt, Pferd gehört in die Wurst? Heute haben wir dreihundert Sprüche drauf, die viel cooler und gemeiner sind, als dass das Pferd nur in die Wurst gehört. Sind wir ganz Hardcore drauf, winken wir mit einer frischen Pferdewurst und schieben sie uns quer in den Mund, einfach, weil wir’s können. Pfff … na und? Wir sind alt genug, um zu wissen, dass Pferde irgendwann sterben und es völlig okay ist, wenn sie in die Nahrungskette wandern. Ist ja sogar praktisch – den eigenen Reitbegleithund kann man nach dem Tod nicht unbedingt etwas Nützlichem zuführen. So what? Wir sind einfach abgebrühter geworden. Und das ist doch auch mal endlich gut – jedenfalls in diesem Fall, wo wir sowieso immer viel zu hitzig und überempfindlich waren.
Wir müssen sowieso gar nicht mehr alles. Also nicht zwingend. Wir müssen gar nicht mehr den höchsten Sprung nehmen, die wildesten Manöver reiten, das wildeste Pferd zähmen … weil wir uns vorher doch mal fragen: „Sag mal, was macht eigentlich dein dicker Mann, wenn du jetzt vom Pferd kachelst und anschließend querschnittsgelähmt bist … nur weil du jetzt noch unbedingt rückwärts über den Sprung wolltest?“ Nicht, dass wir nicht auch früher Angehörige gehabt haben … wir waren nur egoistischer … oder haben einfach weniger nachgedacht, dass jemand verdammt traurig ist, nur weil wir der Meinung waren, dass man eben doch jedes Pferd reiten muss.
Hey – aber es ist völlig okay. Pferd wird schließlich irgendwann mit alt. Und Man kann ruhig alt werden. Nur nicht langweilig. Und wenn man gerade zu langweilig geworden ist, dann kann man ja doch mal wieder versuchen, den Sprung rückwärts zu nehmen. Am besten mit wehendem Wallakleid und Halsring um den Hintern. Aber denkt dran – ihr seid nicht mehr 12 – das tut jetzt beim Runterfallen echt weh.
Foto: Du willst doch nicht am Sabbat arbeiten, Weib?