Jaja, wir wissen schon: Bei GUTEN Reitern geht das Pferd natürlich jeden Tag gleich, es sind Maschinen der Beständigkeit und funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk. Einen eigenen Kopf haben die nicht. Nicht mal eine Seele. Haben die alle schon weggeritten. Liegt auch IMMER nur am Reiter, denn der ist ja schlecht, wenn es nicht jeden Tag gleich klappt.
Ich unterscheide da nicht: Ich habe einen schlechten Tag (mit meinem Pferd) oder einen guten Tag (mit meinem Pferd). So ist das eben. Der gehört doch auch zu meinem Tag. Und wir sind eine Einheit, wenn wir reiten. Allerdings nicht immer einig.

An einem guten Tag ist mein feines Arschlochpferd eine Zuckerschnute und ich schäme mich schon fast, ihn so zu nennen. Da braucht man nur an einen fliegenden Wechsel denken und er springt ihn, er fliegt förmlich dahin, schön aufgerichtet, der Rücken schwingt, er geht Seitengänge, er biegt sich am kleinen Finger, er kann die Tritte verlängern … Ja, er kann eigentlich schon eine Menge. Darauf bin ich auch stolz. Leider ist mein Pferd nicht nur launisch, sondern auch sehr frauchenfühlig. Er reagiert auf jede Stimmung – mit passender Gegenstimmung.

Und zwar so:
Ich möchte satteln. Das ist schon etwas schwieriger, je nachdem wie miserabel das Pferd gelaunt ist. Geht aber noch. Ich möchte auf den Platz. Pferd nicht. Der bleibt stehen und guckt fröhlich in der Gegend herum: Was gibt es denn hier noch so? Er meint ja immer, er hätte die Wahl.
Ich komme auf dem Platz an, da hat man plötzlich noch nie den Nachbarplatz gesehen. Hui, da spukt es.
Ich möchte aufsteigen, Pferd fängt an auf nichtvorhandenes Kommando zu weichen. Immer weiter, bis ich ihn irgendwann genervt in der Ecke parke und da aufsteige.
Ich bin oben. Aber cool ist das nicht, denn das Pferd ist plötzlich dienstbeflissen und findet, dass man dieses Schrittreiten einfach seinlassen kann. Also bewegen wir uns im Schrab über den Platz. Erdreiste ich mich, die Zügel anzunehmen, wird der Kopf giraffenmäßig hochgereckt und das Maul aufgeklappt. Dazu rollen wir natürlich noch etwas mit den Augen.

Ich trabe endlich an, da schläft das Pferd ein und fällt auf die Vorhand. Wecke ihn aus dem Sekundenschlaf, aber das nützt auch nix, denn auf der kurzen Seite wird der wieder ausgepackt. Allerdings nur bei ungeraden Rundenzahlen. Das Tempo variiert also. Zwischen Stechtrab – garantiert nicht über den Rücken – oder Schluffi. Kann es mir nicht aussuchen, ich bekomme beides, je nachdem wie das Pferdehirn das durcheinander würfelt.
Fange ich an, dagegen anzukämpfen, indem ich Übergänge reite, hält er plötzlich gegen. Natürlich dramatisch. Mein Pferd kann alles nur in dramatisch. Muss schon nach mittelschwerer Misshandlung aussehen.

Ich möchte durch die Länge der Bahn reiten. Weils Pferd frackig ist. Er hasst das. Wir bleiben nicht gerade und brauchen mindestens 10 Hufschläge wechselseitig für diese Übung. Ist ja auch schwer mit diesen vier Beinen. Ich höre auf, sobald er es einmal manierlich macht und denke, das Thema ist jetzt durch, ich könnte wohl mal galoppieren. Ich vielleicht, mein Pferd plötzlich nicht mehr, der hüpft quietschvergnügt im Kreuzgalopp daher. Auf mindestens 3 Hufschlägen. Nichts bereitet ihm in seinem aufsässigen Modus mehr vergnügen, als sich gegen sämtliche korrekt ausgeführte Hufschlagfiguren zu wehren.

Vielleicht galoppiert er später noch mal manierlich. Wenn er sich ausgeätzt hat. Dann kann ich es allerdings auch nicht mehr genießen, denn ich bin so K.O, dass es nach dem einzig schönen Galopp nur noch ein bisschen leichttraben mit Zügel aus der Hand kauen gibt und ich aufhöre. Ist sowieso besser. An manchen Tagen sollte man einfach gar nicht aufsteigen. Zumindest wenn man an dem Tag eine Einheit bildet, die in etwas so angenehm ist, wie eine Kernschmelze.

Foto: Weiß gar nicht, wovon ich rede.