Reiter haben ein Namensgedächtnis. Das funktioniert bei Pferden komischerweise einwandfrei. Ich kann jedes Pferd (bis auf den ominösen Fuchs) benennen, mit dem ich je zu tun hatte. Auch obskure Namen wie Glen go for Gold kann ich behalten. Kein Problem. Aber jetzt fragt mich nicht wie meine Tierärztin heißt. Tierärztin! So! Das muss reichen. Mein Schmied hat einen Nachnamen? Weiß ich nicht.
Ich bin aber gar nicht so allein. Denn Reiter definieren sehr einfach: „Die vom Mozart. Die vom Hubert. Der vom Pepone.“
Super. Weiß jeder wer gemeint ist und keiner weiß, wie die Leute wirklich heißen. Macht aber nichts, wir nehmen das auch nicht krumm. Wir hören auch auf falsche Namen, Hauptsache jemand erwähnt den Namen unseres Pferdes und schon fühlen wir uns angesprochen.
So verwundert es auch gar nicht, wenn wir andere Reiter im Telefonbuch haben, dass diese dann als „Berta – Leeroy“ gespeichert sind. Nachnamen haben die alle nicht.
Wirkich unangenehm wird es aber, wenn wir auf Reiter treffen, die sich erstens: Namen merken können oder zweitens: uns zu jemandem schicken wollen. Und zwar mit richtigem Namen.
„Hey, kannst du mal bitte der Frauke die Schabracke zurückgeben? Ich hab mir die geliehen, aber ich kann nicht weg, ich warte auf den Tierarzt.“
Frauke? Frauke? Wir haben eine Frauke im Stall?
Da steht man also mit der blöden Schabracke und läuft ein bisschen unschlüssig die Stallgasse auf und ab. Vielleicht fühlt sich ja jemand von der Schabracke angesprochen? Nein? Verdammt!
Also wird man tricky. Boxenschilder lesen. Hat man Glück steht dann irgendwo: Besitzer – Frauke XYZ. Hat man kein Glück, steht man auch übermorgen noch mit der Schabracke da. Oder man fragt, wie das Pferd dazu heißt und legt es vor die Box. Denn wo dieses Pferd steht, DAS wissen wir dann wieder.
Wir können hingegen Pferde bombig voneinander unterscheiden. Auch ein ganzer Haufen brauner Pferde ist für uns keine Herausforderung, während mein dicker Mann nach dem Kauf von Mozart sich nicht mehr wirklich sicher war, welches Pferd auf der Weide denn jetzt das Richtige ist. Das erfordert tatsächlich Reitersynapsengedöns. Die bilden sich aber erst, wenn man mindestens ein Jahr Pferdehaare eingeatmet hat.
Dann gibt es natürlich noch die Momente im Stall, wo man irgendwann merkt, dass man überhaupt keine Namen kennt. Man grüßt aber in jedem Fall, hält auch noch einen Plausch, fragt nach dem Pferd (dessen Krankengeschichte man problemlos aufzählen kann) … aber wie heißt diese Frau eigentlich? Ich war schon mit Leuten aus dem Stall weg, bei denen ich keine Ahnung hatte, wie die eigentlich heißen. Aber aus ihrem Leben weiß ich eine Menge. Oder über die letzte Hyaluronbehandlung bei ihrem Rappen.
Irgendwann ist leider der Punkt gekommen, wo es total unhöflich wäre, zu offenbaren, dass man den Namen seines Gegenübers nicht kennt. Also bloß nie nach Handynummern fragen. Sonst weiß man ja gar nicht, wen man da in sein Handy einspeichert. Und es könnte zu peinlichen Momenten kommen. Auch irgendwie doof.
Ganz trickreiche Reiter probieren einfach gängige Reitermädchennamen durch. Irgendwer heißt garantiert: Steffi, Andrea, Annika oder Tina. Wenn man Glück hat, heißen mehrere so. Kann aber auch Pech sein, weil man dann nicht weiß, welche Tina man jetzt fragen soll, wann sie den Schmied bestellt hat.
Ja, Reiter sind halt einfach komisch. Mit ihren Mitmenschen überfordert, aber aus einer Herde von 20 Pferden, die alle dunkelbraun sind, mal eben den Peter rausholen, der einen leicht anderen Knick im Ohr hat, das ist überhaupt gar kein Problem.
Foto: Hoppelndes Moppelpony in Plüsch – Morwen Fotografie