Könnt ihr euch noch an eure erste Reitstunde erinnern? Ich kann das. Sogar sehr gut. Mein Pferd hieß Felix und war ein Fuchs. Und ich glaube, so ziemlich das hässlichste Pferd, was man sich vorstellen kann. Gurkenhals, eine Kruppe wie eine Betonwand, eine Form wie eine Gurke und dann noch so richtig hässlich schlammfuchsig. Felix war vor allem schlecht gelaunt, ich hatte auch später nie den Eindruck, dass der Kinder mag. Aber nett war er trotzdem, zumindest beim Longieren.
Ich war also 6. Und hatte einen dieser rosa Fahrradhelme, den ich peinlich berührt schon versucht hab zu verstecken, weil die anderen Kinder, die ich im Stall sah, Reitsachen hatten. Stiefel und einen Helm.
Ich bekam eine Viertelstunde, denn ich sollte ja erst mal schauen, ob mir das überhaupt gefallen würde.
Felix guckte mich an, ich guckte Felix an und und er mich. Ich schwör’s: Liebe auf den ersten Blick. Ich weiß nicht, was mich dazu bewogen hat, wiederzukommen, denn so toll ist an der Longe reiten nun wahrlich nicht. Aber wenn man dann das erste Mal die Zügel selbst in die Hand nehmen darf (denn man durfte, wenn man sich gut angestellt hatte, vielleicht mal Trockenreiten), dann war man so glücklich, wie man das nur selten ist. Ein zweites Weihnachtsfest mit verdammt viel Lego käme dem Nahe. Jedenfalls im Kindesalter.
Und dann erst die erste Reitausrüstung: Ein Helm und Gummistiefel in schwarz.
Umso trauriger war ich, als ich beim zweiten Mal plötzlich nicht mehr Felix ritt, sondern Dancing. Dancing war schwarz. Angefasst, lieb gehabt. Ich weiß nicht, was da in meinem Kinderhirn durchgebrannt ist, aber ich musste einfach automatisch alles liebhaben, was ein Pferd war. Es war mir unvorstellbar, wie man das NICHT konnte. Jedes Pferd war was ganz Besonderes, alle mussten gleich liebgehabt werden, einfach jedes. So war natürlich auch der Wunsch nach einem Pferd da. Ich hatte keine Vorstellung von irgendeiner Art von Pferd. Irgendeins. Ich werde es liebhaben. Das wusste ich. Mir war egal wie alt, wie groß, wie es aussah. Ist doch egal, es ist ein Pferd, ich hab es lieb.
So ritt ich also langsam schon selbstständiger, Schritt und Trab konnte ich schon, und war ganz stolz, dass ich Felix in einem Lehrgang mal vorreiten durfte mit dem Zusatz, dass man jetzt mal sehen könnte, dass der auch schneller geht als Gangart Schluff.
Was meine Reitlehrerin dazu bewogen hat, mich allerdings auf einem Stockmaß weit jenseits der 1,80 galoppieren zu lernen, weiß ich nicht. Aber ich weiß, wie sich das anfühlt, so als Kind: Wenn man hört: Heute machen wir mal Galopp. Und wenn man das erfolgreich überstanden hatte (ich habe nicht gemerkt, dass der Riese unter mir gebuckelt hat, aber meine Reitlehrerin war etwas blass um die Nase), dann war man wer. Und so verdammt zufrieden mit sich. Man gehört ja auch schon zu den Großen – man kann schließlich Galopp.
Und DANN lernt man irgendwann – es gibt nicht nur Pferde zum Liebhaben. Es gibt auch Arschlochpferde. Zumindest war das bei mir so, denn unser einziges Pony war so ziemlich das größte Arschlochpferd auf Erden. Hobbys: Mit Reiter wälzen, buckeln, beides zusammen. Und als meine Reitlehrerin zu mir sagte: Die mag dich, die hat noch keinmal versucht dich abzusetzen, begann auf jeden Fall ein Muster, denn wenn ich so was vom Trainer oder von meiner Reitlehrerin höre, weiß ich: Du wirst gleich so was von abgesetzt …
Das Pony jedenfalls versuchte sich mit mir zu Wälzen (gerade noch abgewehrt), buckelte los, mit Karacho auf die Wand zu, während ich noch halb dran hing. An der Wand abgestriffen, an meiner Reitlehrerin vorbei – raus. Weg. Wiedersehen!
Ich war am Boden zerstört und saß heulend im Sand. Nicht, weil ich mir wehgetan hatte, sondern weil ich nicht glauben wollte, dass das Pony einfach so gemein zu mir war, wo doch meine Reitlehrerin eben noch behauptet hatte, die hätte mich gern. Das passte nicht in mein Kinderhirn. Habe mich geweigert wieder aufzusteigen und unter Tränen nach meiner Mutter verlangt. Unfair! Gemein! Ich hab sie doch liebgehabt!
Muttern kam und kassierte mich ein, während ich im Vorbeigehen heimlich dem Pony den Stinkefinger gezeigt hab.
Und wer stand pünktlich zur nächsten Reitstunde wieder auf der Matte? Na, richtig: Ich.
Foto: Von da an, fand ich übrigens die arschigen Pferde viel spannender.