Ja wirklich, heute geht es um eine der schwierigsten Lektionen überhaupt. Und ihre Ausführung und Interpretation durch das Pferd. Denkt ihr jetzt: Piaffe, Passage, Sliding Stop … nenene … alles falsch. Es ist eine Lektion, die jedes Pferd beherrschen sollte. Aber es kann sie nur in der Theorie von Anfang an. In Wahrheit muss man dem Pferd erst mal den Sinn erklären, denn sonst wird es denn niemals erkennen und dabei auch mit 20 noch Theater machen. Die Rede ist natürlich vom: „Steh!“. Eine Lektion, die Leben retten kann, einem aber auch einfach alles erleichtert. Nur ist das Pferd in Gedanken wohl erst Mal ein Hai und hat Angst, dass es erstickt, wenn es länger als zwei Sekunden stehenbleibt. Auch passionierte Rumsteherpferde werden nämlich erst einmal im Beisein des Reiters versuchen, selbstständig weiterzugehen, weil es doch gerade erst gelernt hat mitzugehen. Und schummeln gilt natürlich nicht. Stehen ohne Fressen muss es schon sein.

Zum Beispiel so ein Rennpferd. Das steht nicht einfach da herum, wo man es abstellt. Primär, weil es außerhalb von Box und Weide niemals unbeaufsichtigt einfach herumsteht (wir erinnern uns: Die sind teuer). Was ebenfalls impliziert, dass immer jemand da ist, der es festhält. Somit ist das Ottonormalrennpferd plötzlich durchaus überfordert, wenn man es jetzt daheim das erste Mal in die Zirkelmitte stellt und die Zügel loslässt, weil man noch die Bügel einstellt. Hä? Was will die Frau? Geh ich mal weiter, will ja nicht unangenehm auffallen. Während das Frauchen plötzlich doch schnell nach dem Zügel greift (all die Schulpferde konnten man ja loslassen) und sich denkt: Man, ist das Vieh nervös.
Mit Nervosität hat die Lektion aber nicht nur zu tun (allerdings manchmal auch). Sondern damit, dass Stehen überhaupt Sinn macht. Das Pferd soll nämlich lernen zu warten.
Meiner zum Beispiel, der steht wie ’ne Eins. Am Putzplatz, vor den Boxen, oder auf dem Reitplatz. Draußen steht der nicht zwingend immer. Und das war auch gar nicht so einfach ihm zu verklickern.

Wir sind also bei der generellen Bodenarbeit auf dem Reitplatz (gezwungenermaßen – Lederhautentzündung pünktlich nach Ankunft). Bisschen biegen und stellen, bisschen erklären, wo er laufen soll und wo ich laufe. Das geht. Ich bleibe stehen. Das Pferd panzert weiter. Gezerre am Strick und ein: „Ey!“
„Was denn?“, fragt mein Pferd
„Na, wenn ich stehenbleibe, bleibst du auch stehen.“
„Warum?“
„Weil.“
„Das ist aber keine Antwort. Finde ich blöd.“
Panzert wieder weiter.
„EY!“ Ich fuchtle mit dem Strick und schicke rückwärts.
Pferd sagt auch: „Ey! Wieso kommt jetzt der fiese Strick?“
„Weil du nicht weitergehen sollst, bevor ich es dir sage.“
„Aber wir gehen doch eh gleich wieder weiter. Oder soll ich hier übernachten?“
„Nein. Aber es geht ums Prinzip.“
Wir laufen also wieder los. Halten. Pferd geht aber noch mal zwei Schritte.
„Und was soll das jetzt?“, frage ich.
„Aus Prinzip!“
Arghs!
Nach drei Runden bleibt er dann aber stehen. Ich lobe und gehe um ihn herum. Pferd dreht sich mir hinterher.
„Was soll das?“, frage ich.
„Du gehst doch wieder.“
„Ja, aber du nicht. Habe nichts davon gesagt.“
„Aber gemeint.“
„Nein.“
„Hm … muss ich mal drüber meditieren.“
Wir gehen weiter, halten an, ich gehe wieder ums Pferd, er dreht sich wieder mit.
„Was soll denn das? Du kennst aber doch das Kommando zum weitergehen, oder?“, frage ich.
„Schon, aber du hast auch gesagt, dass ich anhalte, wenn du anhältst. Das gilt ja dann fürs Weitergehen auch, oder?“, spricht das Pferd.
„Nein.“
„Alle Frauen meinen ‚Ja‘, wenn sie ‚Nein‘ sagen.“
„Wo hast du denn den Machoscheiß her?“
„Das sagt man sich so unter Hengsten.“
„Deine Eier sind schon laaange weg. Also bleib einfach stehen, bis das Kommando kommt.“
„Mal gucken.“
Wir gehen los, halten an, das Pferd bleibt stehen und ich entferne mich ein paar Schritte. Er wartet kurz, kommt dann her.
„Stopp!“, sage ich.
„Aber ich soll doch da stehen, wo du stehst“, antwortet das Pferd.
„Nö. Hat niemand gesagt.“
„Ich stehe doch schon.“
„Ja, aber jetzt neben mir. Ich wollte, dass du da stehenbleibst, wo ich Stopp gesagt habe.“
„Finde ich doof.“
„Hör mal, das ist hier keine Demokratie.“
„Doch, doch. Habe ich genau recherchiert.“
„Nein. Bleib einfach da stehen, wo ich Stopp gesagt habe und warte, bis das Kommando zum weitergehen kommt.“
„Das kommt doch eh gleich.“
„Ja. Aber trotzdem sollst du erst dann weitergehen, wenn es kommt. Hunde verstehen das.“
„Ich bin aber kein Hund.“
„Ne, schade eigentlich.“
„Ey!“
„Tja, so ist das nunmal.“
Wir gehen wieder los. Ich bleibe stehen, gebe mein Kommando, Pferd steht.
„Ich glaube, ich habe das jetzt verstanden“, sagt das Pferd.
„Schön, das freut mich. Dann gehen wir jetzt weiter. Hallo? Hallooo?“
„Wieso ziehst du denn jetzt am Strick?“
„Weil du nicht nebenher fressen sollst. Du sollst warten, ohne zu futtern.“
„Das ist doch Kokolores.“
„Nein, ist es überhaupt nicht.“
Wir gehen wieder los. Halten an. Pferd steht herum und guckt mich an.
„Weißt du was?“, sagt er.
„Ne, was denn?“
„Ich hab das jetzt verstanden. Aber einen Sinn sehe ich nicht darin.“
„Verstehen reicht mir schon.“
„Besser, wir reden da die nächsten paar Wochen jeden Tag noch mal drüber. Vielleicht kann ich dich ja überzeugen, dass es unsinnig ist.“
„Bloß nicht!“
„Doch, doch, das werden wir.“
Und das taten wir dann auch.

Foto: Hat da jemand Stangen für mich hingelegt?